Schwerin. Es ist ein alter Hut, aber immer wieder gern erzählt: Auf dem Schrank neben der Friese-III-Orgel in der Schweriner Paulskirche soll sich Johannes Brahms anlässlich der Aufführung seines „Deutschen Requiems“ mit seiner Unterschrift verewigt haben. „16.10.83 Brahms Requiem Jubiläum 100 Jahre“, steht da. Allerdings hat es am 16. Oktober 1883 nachweislich keine Aufführung gegeben. Wohl aber am 16. Oktober 1983, also 100 Jahre später – und das erklärt auch das Wort „Jubiläum“.
Diese Aufführung von 1983 war wohl eher von mäßigem Erfolg gesegnet. So ist in der Mecklenburgischen Kirchenzeitung, 38. Jahrgang, Nr. 44, über die Aufführung der Marienkantorei Rostock und des Domchors Schwerin nachzulesen, dass der Chor leider nicht durchgängig die Impulse des Dirigenten aufgenommen habe. Er sei aber „vielleicht auch überfordert durch die überzogenen Tempi.“
Trauerfeier für Großherzog
Johannes Brahms hat am 8. April 1883 im Hoftheater Schwerin sein Deutsches Requiem dirigiert, das steht fest. In der Paulskirche wurde am 29. September 1883 bei der Trauerfeier für Großherzog Friedrich Franz das Brahmsche Requiem aufgeführt – ohne den Komponisten selbst. Brahms und die Paulskirche in Schwerin verbindet immerhin eines: die Musik.
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In der Paulskirche, erbaut 1869, steht die größte erhaltene Friese-III-Orgel. Ursprünglich hatte die Kirche allerdings keine Chorempore. Verbürgt ist, sagt der heutige Paulskirchenkantor Christian Domke, dass eine große Chorempore für das Requiem 1883 gebaut und nach der Aufführung wieder abgerissen wurde. So sei es damals oft gewesen: gebaut, wieder abgerissen.
Extra für die Kircheneinweihung am 30. Juni 1869 hatte sich bereits ein Chor gegründet. Und es gab schon ein Organistenamt. Ein reiches musikalisches Leben entwickelte sich. Bis heute. Die Paulskirche ist die Kirche in Schwerin mit den meisten Konzerten für Chöre, dank einer Heizung seit der Erbauung und einer guten Akustik. Mit Christian Schoknecht bekam die Gemeinde 1968 eine volle A-Kantorenstelle.
Ein Chor für viele Generationen
In der Gemeinde, die seit einem Jahr mit der Versöhnungs- und der Bernogemeinde die Friedensgemeinde bildet, gibt es heute eine Kantorei mit rund 70 Mitgliedern, einen Chor für Kinder zwischen fünf und elf, einen Posaunenchor mit 17 Mitgliedern und das 28 Frauen und Männer zählende Vocalensemble. Neuestes Projekt ist ein generationenübergreifender Chor. Man trifft sich einmal im Monat sonnabends, singt, probt und führt einiges im Gottesdienst am nächsten Sonntag auf.