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Missbrauchsaufarbeitung: Bischof und Pfarrer wollen Streit befrieden

Im Konflikt zwischen dem Hildesheimer katholischen Bischof Heiner Wilmer und dem Wolfenbütteler Pfarrer Matthias Eggers sind beide Seiten um Deeskalation bemüht. „Es ist mir ein sehr großes Anliegen, dass sich diese Situation beruhigt“, sagte Wilmer am Mittwoch in Hildesheim. „Wir werden mit Pfarrer Eggers im Gespräch bleiben, um Wege zu finden, den Konflikt zu befrieden.“ Auch der Pfarrer und die Gemeinde St. Petrus wollten dem Bischof ein neues Gesprächsangebot unterbreiten, um den Konflikt zu entschärfen, sagte die Kirchenvorstandsvorsitzende Christiane Kreiß dem Evangelischen Pressedienst (epd).

In einem Interview mit der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“ vom 17. Mai hatte der Pfarrer dem Bistum und Wilmer mangelnden Aufklärungswillen in Missbrauchsfällen vorgeworfen. Das Bistum hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. In einem Personalgespräch am 23. Mai hatte Wilmer Eggers aufgefordert, freiwillig vom Amt des Pfarrers zurückzutreten.

Pfarrer Eggers und er verfolgten mit der konsequenten Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt das gleiche Ziel, betonte der Bischof. „Da das Thema hochkomplex ist, kann es immer wieder unterschiedliche Auffassungen darüber geben, wie man am besten vorgeht. “Das zeige sich auch in der aktuellen Situation. „Gleichwohl hoffe ich sehr, dass wir eine gute Lösung finden werden.“

Zugleich kritisierte der Bischof den Pfarrer scharf für seine Anschuldigungen gegenüber Weihbischof Heinz-Günter Bongartz, für die er keine Belege vorgebracht habe. „Der Pfarrer tritt hier zugleich als Ankläger und als Richter auf, was ich nicht hinnehmen kann. Hier genau liegt der eigentliche Grund für den Konflikt“, sagte Wilmer. Um zu deeskalieren, habe er dennoch entschieden, dass Bongartz nicht nach Wolfenbüttel reisen werde.

Der Weihbischof hatte dort ursprünglich junge Menschen firmen und die Gemeinde visitieren sollen. Das hatte Eggers abgelehnt. Er wirft Bongartz vor, den 2019 gestorbenen Pfarrer Georg M. als Ruhestandspastor ab 2009 in der Wolfenbütteler Gemeinde geduldet zu haben, obwohl Vorwürfe des vielfachen sexuellen Kindesmissbrauchs gegen diesen bekannt gewesen seien. Bongartz habe als damaliger Personalchef die Verantwortung getragen, hatte Eggers im Zeitungsinterview gesagt. Georg M. soll nach 2009 noch in mindestens zwei Fällen Kinder missbraucht haben.

Die Kirchenvorstandsvorsitzende Kreiß sagte, die Gemeindegremien Pfarreirat und Kirchenvorstand begrüßten die Entscheidung des Bischofs, Weihbischof Bongartz nicht nach Wolfenbüttel zu schicken. Zugleich betonte die Juristin, die die Gemeinde gemeinsam mit Eggers leitet, dass diese ihren Pfarrer in der Sache unterstütze. „Auch wir sehen Bongartz in der Verantwortung. Der Weihbischof sollte Fehler eingestehen.“

Die Gremien unterstellten Bongartz nicht, dass er von den Vorwürfen gegen Georg M. gewusst habe, sagte Kreiß. Aber Bongartz persönlichem Referenten und seinem Vorgänger seien sie bekannt gewesen. Es habe viele weitere Hinweise gegeben. Als Personalchef hätte Bongartz sich ein Bild von seinen Mitarbeitern, insbesondere den problematischen, machen müssen. „Ein Personalchef weiß doch, dass er für seine Mitarbeiter geradestehen muss.“

Die Gemeinde sei damals vom Bistum nicht über die Vorwürfe gegen Georg M. unterrichtet worden, sagte die KV-Vorsitzende. Heute sei klar, dass der Pfarrer seine pädophile Strategie weiterverfolgt und Kinder zu sich nach Hause eingeladen habe, um sie zu missbrauchen. Zwei Fälle nach 2009 seien belegt, sagte die Vorsitzende: „Die Menschen in der Gemeinde haben Angst, dass es weitere Taten gegeben hat. Das belastet die Gemeinde.“

Diese Sicht der Dinge hatte der Pfarreirat dem Bischof in einem Brief vom 21. Mai mitgeteilt. Darin heißt es zum Abschluss: „Das Versagen des Systems Kirche in der Vergangenheit ist so groß gewesen, dass dieses Thema die Kirche begleiten wird. Verantwortliche werden ihr Handeln oder Nichthandeln immer wieder erklären und sich anfragen lassen müssen. Wir halten dies für eine vergleichsweise geringe Last, wenn wir dagegen auf die Lebenslast der Betroffenen blicken.“

Der Diözesanrat, die Laienvertretung im Bistum Hildesheim, hat unterdessen die Bistumsleitung aufgefordert, die Vorwürfe gegen Weihbischof Bongartz neutral und unabhängig untersuchen zu lassen. Mögliche personal- und dienstrechtliche Maßnahmen gegen Pfarrer Eggers sollten bis zum Vorliegen eines Ergebnisses ruhen, heißt es in einem vom Vorsitzenden Christian Heimann unterzeichneten Brief an den Bischof.