Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt fordert nach der jüngsten Missbrauchsstudie Strukturreformen in der evangelischen Kirche. Die Vielzahl der Landeskirchen gehe „nicht zuletzt auch zulasten der Betroffenen sexualisierter Gewalt, weil die Verantwortung in unseren vielen Gremien diffundiert“, sagte die Bundestagsvizepräsidentin, die der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir müssen unsere kirchlichen Strukturen verschlanken.“
„Die Studie hat gezeigt, dass die Betroffenen nicht nur durch konkrete Personen, sondern auch durch Strukturen gelitten haben“, betonte Göring-Eckardt. „Und zwar doppelt.“ Die Strukturen hätten Gewalt begünstigt und die Aufarbeitung erschwert. „Mir geht es aber gar nicht so sehr um die Anzahl der Landeskirchen, sondern vielmehr um Strukturen in einer Größe, sodass sie wirklich funktionieren“, unterstrich sie.
Der von der EKD beauftragte Forschungsverbund ForuM hatte Ende Januar seine Studie zu sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie veröffentlicht. Ein Ergebnis ist demnach, dass der evangelische Föderalismus mit seinen 20 Landeskirchen dazu führt, dass mit Betroffenen unterschiedlich umgegangen wird.
Der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, hatte kürzlich dem epd gesagt, in allen Landeskirchen seien bundesweit verbindliche Standards zu Aktenführung, Aufarbeitung und Anerkennungsleistungen nötig. Vorstellbar wären auch ein zentrales Monitoring des Umgangs mit Verdachtsmeldungen in den Landeskirchen sowie eine externe zentrale Ombudsstelle, an die sich Betroffene wenden können.
Göring-Eckardt sagte, die Betroffenen hätten jetzt Priorität. Es gehe jetzt „ganz grundsätzlich darum, ob wir wieder glaubwürdig sind“. Zugleich erwarte sie „eine harte Debatte“ unter anderem über die Zahlungen, weil eigene Verfehlungen aufgearbeitet würden „und weil wir andere Dinge nicht machen können“. „Aber da müssen wir durch und dürfen uns nicht wegducken“, sagte sie.
Mit Blick auf die Kritik des Forschungsverbunds an mangelnden Informationen und „schleppender Zuarbeit“ der Landeskirchen mahnte die Grünen-Politikerin zu Differenzierung. Sie habe inzwischen mit einigen Landeskirchen gesprochen, die es geschafft hätten, auch alle Personalakten und nicht nur Disziplinarakten anzuschauen. „Weil es einige nicht schaffen konnten, wurde die Untersuchung aber auf Disziplinarakten beschränkt“, sagte Göring-Eckardt. „Die Kritik daran ist natürlich für diejenigen frustrierend, die sehr viel Arbeit reingesteckt haben, um es zu schaffen.“ Dies zeige erneut, dass ein einheitliches Vorgehen fehle.