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Missbrauch-Betroffener wünscht mehr Beistand der evangelischen Kirche

Bei der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche wünscht sich der ehemalige Hamburger Kirchenmusikdirektor Matthias Hoffmann-Borggrefe mehr Beistand für Betroffene. „Es ist an der Zeit, dass die Kirche ihre Schuld eingesteht und die zerstörten Lebensentwürfe der Opfer öffentlich macht, etwa in einem Gedenkgottesdienst“, sagte der 60-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hoffmann-Borggrefe erlebte in seiner Kirchenmusikausbildung sexuelle Gewalt. Am Donnerstag werden Ergebnisse der ersten übergreifenden Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche (ForuM) vorgestellt.

Hoffmann-Borggrefe war 1984 in seiner Ausbildung zum Kirchenmusiker an der heutigen Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf von seinem damaligen Professor vergewaltigt worden. Die Evangelische Kirche im Rheinland hatte den Fall 2011 anerkannt. Bis heute leide er an den Folgen, seit zwölf Jahren mache er eine Traumatherapie, sagte Hoffmann-Borggrefe. „Aufgrund meiner psychischen Erkrankung bin ich mittlerweile schwerbehindert und kann nicht mehr arbeiten. Mein Leben ist zerstört.“

Statt Transparenz zu schaffen, wolle Kirche immer noch den Schein wahren und Missbrauchsfälle herunterspielen, sagte Hoffmann-Borggrefe. Sexuelle Gewalt durch Mitarbeiter der Kirche bleibe ein Tabu, über das nicht öffentlich gesprochen werde. „Kirche muss aber ihren eigenen Riss öffentlich deutlich machen“, erklärte der langjährige Kantor und Organist der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai. Mit finanziellen Anerkennungsleistungen an die Betroffenen sei es nicht getan.

Der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, warf Hoffmann-Borggrefe vor, sie habe durch ihren Rücktritt am 20. November „lediglich Schaden von der Kirche abwenden“ wollen. Kurschus hatte ihre Ämter als EKD-Ratsvorsitzende und westfälische Präses nach Vorwürfen mangelnder Transparenz bei der Aufklärung eines mutmaßlichen Missbrauchsfalls abgegeben. Zur Begründung sagte sie, statt um ihre Person müsse es um die von sexualisierter Gewalt Betroffenen und deren Schutz gehen. Um dieser Aufklärung nicht im Wege zu stehen, bereits erlangte Erfolge nicht zu gefährden und Schaden von ihrer Kirche abzuwenden, ziehe sie diese Konsequenz. Auch die Betroffenenvertretung der EKD zollte ihr dafür Respekt.