Anlässlich des Beginns des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses am 20. Dezember 1963 hat der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU) das Verfahren als einen Meilenstein der deutschen Rechtsgeschichte gewürdigt. Der vor 60 Jahren eröffnete Prozess zeige die Möglichkeiten und Grenzen der strafrechtlichen Aufarbeitung schwerster Menschheitsverbrechen auf, sagte Poseck bei einer Gedenkveranstaltung am Montag im Landgericht Frankfurt am Main. Es sei gelungen, mehreren Angeklagten die persönliche Schuld und Verantwortung für schreckliche Taten im Lager Auschwitz nachzuweisen.
„Der Prozess hat deutlich werden lassen, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht etwas Abstraktes waren, sondern dass sie von Menschen, von unseren Vorfahren begangen wurden, die sehr große individuelle Schuld auf sich geladen haben“, sagte Poseck. Das Verfahren sei ein Gegenbeispiel für das „weit verbreitete Schlussstrichdenken“ in der jungen Bundesrepublik. Allerdings habe der Prozess in Anbetracht der Dimension der Verbrechen nicht Gerechtigkeit bewirken können. „Auch das Warum ist weitgehend unbeantwortet geblieben.“
Der hessische Justizminister mahnte, dass die Justiz „nicht nur in der NS-Zeit, sondern auch nach dem Krieg schwere Schuld auf sich geladen“ habe. Sie habe sich „einer konsequenten strafrechtlichen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen verweigert“. Von 106.772 wegen nationalsozialistischer Straftaten eingeleiteter Ermittlungsverfahren haben nach den Worten von Poseck nur 169 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe geführt. „Das ist in Anbetracht der Dimension des Holocausts ein beschämendes Ergebnis der juristischen Aufarbeitung.“
Eine der Botschaften des Auschwitz-Prozesses sei, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen dürften. „Es ist unerträglich, dass jüdisches Leben bei uns heute wieder bedroht ist“, sagte Poseck. „Wir müssen alles für den Schutz unserer jüdischen Bürgerinnen und Bürger unternehmen.“ Der Justizminister forderte, die Infragestellung des Staates Israel als antisemitische Handlung unter Strafe zu stellen.
Auf Initiative des damaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (1903-1968) wurden im ersten Auschwitz-Prozess 22 Beschuldigte wegen Mordes angeklagt. Das Landgericht Frankfurt verurteilte im August 1965 sechs der Angeklagten zu lebenslanger Haft, elf erhielten Freiheitsstrafen zwischen dreieinviertel und vierzehn Jahren. Drei wurden freigesprochen, zwei waren aufgrund von Krankheit ausgeschieden, einer schon vor Prozessbeginn gestorben.