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Migrationsforscher: Stabiles Syrien muss Priorität haben

Wer nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien eine sofortige Massenrückkehr verspricht, handelt populistisch, sagt der Soziologe und Migrationsforscher Gerald Knaus.

Weltweit feiern Syrer, wie hier m Libanon, das Ende der Assad-Diktatur
Weltweit feiern Syrer, wie hier m Libanon, das Ende der Assad-DiktaturImago / Abacapress

Aus Sicht des Migrationsforschers Gerald Knaus könnte der Sturz des Assad-Regimes in Syrien einen historischen Wendepunkt für die gesamte Flüchtlingssituation auch in Europa herbeiführen. Höchste Priorität müsse es haben, zusammen mit den Nachbarländern für Stabilität zu sorgen, sagte Knaus dem Magazin „Stern“. „Scheitert das, drohen mehr Flüchtlinge. Das kann niemand wollen“, warnte er.

Wer eine sofortige Massenrückkehr nach Syrien verspreche, handele populistisch. „Wer aber sagt: Wir wollen eine Situation, in der keine Syrer mehr in Europa Asyl brauchen, wo Rückführungen syrischer Straftäter möglich sind, und wir arbeiten jetzt daran, der handelt verantwortungsvoll“, sagte Knaus. Gerade die Nachbarländer hätten ein Interesse an einem stabilen Syrien. Diese Chance müsse genutzt werden. Auch Deutschland sei gefragt.

Syrien: Asylanträge in Deutschland gehen zurück, wenn…

„Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern haben sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen“, blickte Knaus voraus. Der gebürtige Österreicher leitet in Berlin die Denkfabrik European Stability Initiative. Der Soziologe und Migrationsforscher berät Regierungen zum Thema Migration und Flucht.

Gerald Knaus, Soziologe aus Österreich
Gerald Knaus, Soziologe aus ÖsterreichImago / Tagesspiegel

Unterdessen warnte der Europapolitiker Anton Hofreiter (Grüne) davor, syrische Flüchtlinge unter Druck zu setzen. „Überlegungen, nach dem Sturz von Assad unsere Migrationspolitik zu verändern und härter gegen syrische Geflüchtete vorzugehen, sind völlig fehl am Platz“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Es ist vollkommen unklar, wie es jetzt in Syrien weitergeht.“

Der „demokratische Prozess“ müsse in Syrien mit aller Kraft vorangebracht werden, sagte Hofreiter. Zuallererst müssten dabei die Rechte von Minderheiten sichergestellt sein.

Diktator Assad nach Syrien geflüchtet

Vor dem Bürgerkrieg in Syrien, der 2011 mit einem Volksaufstand gegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad begonnen hatte, waren Hunderttausende Syrer nach Deutschland geflohen. Nach 13 Jahren Bürgerkrieg hat nun eine Rebellenkoalition unter Führung der Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) die Kontrolle über die Hauptstadt Damaskus übernommen. Der entmachtete Assad flüchtete laut russischen Medienberichten nach Moskau.