Der Migrationsexperte Gerald Knaus hält die Reformpläne des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems für nicht erfolgversprechend. „Die Reformpläne sind leider nicht seriös“, sagte Knaus der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Dienstag). Von der EU-Kommission und Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten sei so viel Zeit in diese Verhandlungen gesteckt worden, dass es heute als ein Wert an sich erscheine, irgendeine Einigung zu erzielen, kritisierte Knaus. Dabei sollte allen klar sein, dass diese nichts verändern werde.
„Es geht um viele Menschenleben, um das Überleben der Flüchtlingskonvention und im Kern um die liberale Demokratie in Europa“, betonte der Sozialwissenschaftler, der die Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative leitet. Hier sei es wichtig, die Herausforderung genau zu verstehen. So hätten die EU, Deutschland, Polen, Tschechien oder Zypern im vergangenen Jahr mehr Flüchtlinge aufgenommen als in jedem anderen Jahr seit 1949, auch mehr als 2015. Die allermeisten seien aus der Ukraine gekommen. „Der Hauptgrund für die Aufnahmekrise ist Putins Krieg, während die Zahl neuer Asylanträge immer noch weit unter der von 2016 liegt“, sagte Knaus.
Das Scheitern der EU liegt seiner Ansicht nach darin, dass es ihr bis heute nicht gelingt zu zeigen, wie humane Kontrolle an ihren Außengrenzen funktionieren kann. „Nach Italien kommen 2023 mehr Menschen in Booten als 2022, und es sterben auch mehr. Das verschärft ein gefährliches Gefühl vieler, dass Regierungen die Kontrolle verlieren“, warnte der Migrationsexperte. Es gebe zudem keine Strategie, um die Durchsetzung von EU-Recht in den Mitgliedsstaaten zu erreichen, was den Rechtsbruch in manchen Staaten fortsetze. „Das ist eine Krise der Solidarität.“
Dass die deutsche Bundesregierung große Hoffnungen in die Reform des EU-Asylsystems legt, bezeichnete Knaus als „politisches Kalkül“. Die Ampel-Koalition wolle nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn diese Reform nicht zustande komme. „Aber wenn es darum geht, etwas zu erreichen, – weniger irreguläre Migration, weniger Tote – dann muss man jetzt mit Nachdruck an anderen Lösungen arbeiten.“
Deutschland hat vergangene Woche signalisiert, der umstrittenen Krisenverordnung, ein zentrales Element der EU-Asylreform, zuzustimmen. Die Verordnung sieht Sonderregeln für EU-Staaten vor, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. Dazu zählt, dass Asylsuchende bei der Registrierung an der Außengrenze länger unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können, auch können Standards bei Unterbringung und Versorgung abgesenkt werden.