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Mehrwert der Schularbeit im reformatorischen Auftrag

Öffentliche Schulen in evangelischer Trägerschaft mit evangelischem Profil für mehr Bildungsgerechtigkeit

Evangelische Schulen sind öffentliche Schulen in evangelischer Trägerschaft mit evangelischem Profil. Es gibt bundesweit derzeit 1200 evangelische Schulen, darunter berufsbildende und allgemeinbildende Schulen, Förderschulen und Internate mit insgesamt rund 170 000 Schülern. Sie gründen auf der protestantischen Überzeugung, dass christlicher Glaube in der Übernahme weltlicher Verantwortung sichtbar werden muss. Sie sind staatlich genehmigte „Ersatzschulen“ und vermitteln die gleichen Abschlüsse wie die entsprechenden öffentlichen Schulen. Damit nehmen sie den öffentlichen Bildungsauftrag wahr und sind grundsätzlich offen für alle Kinder verschiedener Konfessionen und Religionen.
Weshalb betreibt unsere Kirche Schulen? Die Reformation entdeckte den Kern des Evangeliums: die bedingungslose Liebe Gottes zum Menschen, die ihn von allen Bindungen befreit – befreit zum Dienst am Nächsten und an der Gemeinschaft. So wie Martin Luther es in dem Doppelsatz formulierte: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Freiheit also nicht als persönlicher Besitz, sondern immer mit Auswirkungen im Verhältnis zu anderen. Was unsere Freiheit wert ist, zeigt sich letztlich daran, ob sie zu mehr Gerechtigkeit führt.

Die Reformation war auch eine Bildungsbewegung

Demzufolge erfüllt die evangelische Kirche bis heute den reformatorischen Auftrag, sich für mehr Bildungsgerechtigkeit einzusetzen. Die Reformation war nicht zuletzt auch eine Bildungsbewegung und gerne betont die evangelische Kirche darum ihr Bildungserbe. Seit der Reformation haben sich die evangelischen Kirchen für die Bildung aller eingesetzt. Bei aller Vielfalt der Schulprofile verbindet die evangelischen Schulen somit eine gemeinsame Vision von protestantischer Bildung.
Luther entwickelte quasi eine neue Erziehungs- oder Bildungsutopie: mit Herzblut gegen ein „kaputtes“ Erziehungssystem. Er hielt nicht nur eine Neugründung von Schulen, sondern auch eine Neubegründung von Schule für notwendig.
Mit ihren Schulen folgt die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) dem reformatorischen Erbe, Bildung als Kernaufgabe kirchlichen Handelns zu begreifen. Sie ist Schulträgerin von sieben Schulen (zwei Sekundarschulen, eine Gesamtschule und vier Gymnasien) mit insgesamt 6100 Schülern an sechs Standorten (Bielefeld-Sennestadt, Breckerfeld, Espelkamp, Gelsenkirchen-Bismarck, Lippstadt und Meinerzhagen). Zu den evangelischen Schulen in Westfalen zählen außerdem auch eine Reihe weiterer in Trägerschaft von evangelischen Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und Trägervereinen. Damit leisten sie alle einen kirchlich-diakonischen Dienst an der Zivilgesellschaft, nehmen ihren missionarischen Auftrag wahr und sind damit schulpolitischer Diskurspartner mit Erfahrung und Gewicht.
Die landeskirchlichen Schulen stellen sich angesichts des gesellschaftlichen Wandels ganz bewusst der Anforderung, einerseits verstärkt erkennbar evangelisches Profil auszubilden und andererseits für alle offen zu sein. Das säkulare Bildungs-verständnis unserer Gesellschaft stellt Formen der religiösen Begründung in der Pädagogik grundsätzlich unter den Verdacht der Sinnlosigkeit. Religion wird oft als Störung des gesellschaftlichen Friedens wahrgenommen, bis hinein in die Schulen.

Der Evangeliumsbezug
eröffnet Freiheit

Wie kann Kirche darauf antworten? Evangelische Schulen bieten eine attraktive Alternative zum staatlichen Schulangebot und tragen dazu bei, dass Pluralität auch im Schulangebot erfahrbar wird. Zur Bildung gehören sicherlich prüfbares Wissen und nachweisbare Kompetenzen, aber sie betrifft den einzelnen Menschen auch als Person, seine Förderung und Entfaltung als „ganzer Mensch“ und seine Erziehung zu sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen. Der Bezug auf das Evangelium und auf biblische Menschenbilder hilft Schülern genauso wie Lehrkräften zu größerer innerer Unabhängigkeit und Freiheit. Und diese Unabhängigkeit wiederum hilft gegen Orientierungslosigkeit und Resignation.
Die Frage nach Gott bleibt für eine zeitgemäße Bildung unabdingbar, schützt sie doch auch vor verabsolutierendem Denken und Handeln. Der Bezug auf das Evangelium eröffnet Freiheit. Die „Freiheit eines Christenmenschen“ bedingt eine Schule, die den Gewissensentscheidungen Heranwachsender Raum bietet und sie zur Selbstständigkeit herausfordert. Es ist konstitutiv für die Arbeit evangelischer Schulen, unterschiedliche Meinungen und Perspektiven zuzulassen und die Arbeit der Kollegien mit Schülern und Eltern an unterschiedlichen Standorten verschieden zu akzentuieren, um damit „modellhaft“ gute Schule zu machen.
Will unsere Kirche ihren „vererbten“ Bildungsauftrag mehrdimensional wahrnehmen, um sich evangelisch zu nennen, dann gehören die Pädagogik in der Gemeinde, die Religionspädagogik in der Schule, die Bildungseinrichtung in evangelischer Trägerschaft und der öffentliche Bildungsdiskurs weiterhin ins Zentrum ihres kirchlichen Handelns.