Alle 52 Minuten nimmt sich in Deutschland ein Mensch das Leben. Die Zahl der Suizide ist erstmals seit langem wieder gestiegen. Die Corona-Pandemie spielt dafür offenbar keine entscheidende Rolle.
Die Suizidzahlen in Deutschland sind offenbar erstmals seit langem wieder angestiegen. Im Jahr 2022 nahmen sich bundesweit 10.119 Menschen das Leben, wie das Nationale Suizidpräventionsprogramm und die Deutsche Akademie für Suizidprävention am Mittwoch in Kassel mitteilten. Dies entspricht einem Anstieg um 9,8 Prozent oder 904 Fällen. Die Anzahl liege erstmals seit acht Jahren wieder über 10.000; zudem sei der prozentuale Anstieg binnen eines Jahres der stärkste seit 1980. Die Auswertung bezieht sich auf die Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamts.
Die Fachleute sprachen von einer bedenklichen Entwicklung. “Noch immer sterben in Deutschland deutlich mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und AIDS zusammen”, sagte die Kommunikationsbeauftragte des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSPro), Hannah Müller-Pein.
Weit über 100.000 Menschen unternahmen im Jahr 2022 einen Suizidversuch, wie es weiter hieß. Mehr als 600.000 Menschen verloren eine nahestehende Person durch Suizid. Männer machen demnach 74 Prozent derjenigen aus, die durch Suizid sterben. Die höchsten Suizidraten verzeichneten Sachsen (17,2) und Sachsen-Anhalt (16,3); am stärksten ist die Rate in Brandenburg und Hamburg gestiegen (um jeweils 2,4). Gesunken ist die Rate nur in Thüringen (um minus 2,5) und im Saarland (um – 0,9); die Suizidziffer ist in Bremen und Nordrhein-Westfalen am niedrigsten (jeweils 9,0).
Ein drastischer Anstieg von “Corona-Suiziden” bei Menschen unter 30 Jahren ließ sich aus den vorliegenden Daten nicht ableiten. Insgesamt sei der Suizid zunehmend ein Phänomen des höheren Lebensalters: Das durchschnittliche Alter eines durch Suizid Verstorbenen habe 2022 bei 60,7 Jahren gelegen. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um genau ein Lebensjahr; im Jahr 2000 lag das Durchschnittsalter noch bei 53,9 Jahren. Insgesamt entfallen laut Angaben 73,4 Prozent der Suizide auf die Altersgruppe über 50 Jahren.
Assistierte Suizide werden in der Statistik nicht gesondert ausgewiesen. Offen ist den Angaben zufolge, ob der Anstieg der Suizide durch Medikamente in den Jahren 2021 und 2022 gegenüber 2020 um 427 Fälle (42 Prozent) in Zusammenhang mit den Debatten über den assistierten Suizid steht. Der Geschäftsführer der Akademie, Georg Fiedler, mahnte ein Register und eine zeitnahe Veröffentlichung der Todesfälle mit “der Todesursache Suizidassistenz” an.