Hannover. Im Prozess um den Einbau des von Altkanzler Gerhard Schröder gestifteten Reformationsfensters in der Marktkirche in Hannover haben beide Seiten am Dienstag vor dem Landgericht Hannover ihre gegensätzlichen Positionen dargelegt. Der Kläger und Architekten-Erbe Georg Bissen wandte ein, das Fenster störe den Gesamteindruck des schlichten spätgotischen Raumes. Die Vertreter der Marktkirche hingegen machten geltend, für das Erscheinungsbild der Kirche könne bei allem Respekt für das Werk des Architekten Dieter Oesterlen (1911-1994) kein urheberrechtlicher Schutz bestehen. Oesterlen hatte die im Krieg zerstörte Kirche nach 1946 wiederaufgebaut und neu gestaltet.
Um das 13 Meter hohe Buntglasfenster mit Motiven zur Reformation, das von dem Künstler Markus Lüpertz (79) entworfen wurde, tobt seit drei Jahren ein künstlerischer und juristischer Streit. Schröder will der zentralen Marktkirche das Fenster als Ehrenbürger von Hannover schenken und dafür Vortragshonorare weitergeben. Die Kosten werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Im Oktober hatten sich Richter und Anwälte bei einem Ortstermin bereits einen Raumeindruck von der mittelalterlichen Backsteinkirche verschafft.
Singuläres Ausrufezeichen
Bissen betonte in der Verhandlung: “Hier würde ein singuläres Ausrufezeichen gesetzt, das die Gesamtatmosphäre beeinträchtigt.” Sein Stiefvater Oesterlen habe die Farbtöne der damals eingebauten schlichten Glasfenster sehr sorgfältig ausgesucht. Die bestehenden Fenster seien daher weit mehr als nur eine “Notverglasung” gegen Wind und Wetter. Oesterlen habe beim Wiederaufbau stets den Gesamteindruck des Raums vor Augen gehabt. Der in Tokio lebende Anwalt Bissen verwaltet die Urheberrechte an der Gestaltung der Kirche.
Für die Marktkirchengemeinde sagte Pastorin Hanna Kreisel-Liebermann, sie habe bunte Fenster in dem gotischen Raum immer sehr vermisst: “In der heutigen Zeit, die sehr digital und visuell ist, ist es wichtig, dass die Kirche Bilder hat, die unsere religiösen Symbole zeigen.” Dadurch würden die Besucher angeregt, sich mit den dort gezeigten Symbolen auseinanderzusetzen. “Wir sind für die Menschen da”, betonte die Pastorin. Deshalb gebe es in der Kirche auch regelmäßig Kunstausstellungen. Kunst spreche mehr Sinne an als das gesprochene Wort.
In Glas gesetzte Predigten
Regionalbischöfin Petra Bahr, die als theologische Sachverständige befragt wurde, bezeichnete Buntglasfenster als “in Glas gesetzte Predigten”. Der Reformator Martin Luther habe diese mittelalterliche Tradition nicht unterbrochen, sondern gestärkt. Kirchenfenster seien “mehr als Deko”, sondern sollten die Besucher durch den Lichteinfall zur individuellen Andacht führen: “Kirchen sind keine Museen, sondern Räume für den gelebten Glauben der Christinnen und Christen”, unterstrich Bahr.
Das Glasfenster wird derzeit bereits von der Glasmanufaktur Derix im hessischen Taunusstein produziert und ist schon halb fertig. Es zeigt eine große weiße Figur, die Martin Luther darstellen soll, sowie zahlreiche Einzelmotive mit Bezug zur Reformation.
Urteil im Dezember
Der Vorsitzende Richter Florian Wildhagen erläuterte, in dem Konflikt stünden das Selbstbestimmungsrecht der Kirche und die Religionsfreiheit gegen das Urheberrecht. Das Urteil soll am 14. Dezember gesprochen werden. (epd)