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Medienanwalt Schertz: “Wir brauchen mehr Vergebung”

Die bundesdeutsche Gesellschaft hat es verlernt, zu verzeihen. Das beklagt ein Rechtsanwalt, der schon viele Politiker und andere Prominente vertreten hat. Und sagt, wer davon profitiert.

Christian Schertz, Rechtsanwalt für Presse-, Urheber- und Medienrecht
Christian Schertz, Rechtsanwalt für Presse-, Urheber- und MedienrechtImago / tagesspiegel

Medienanwalt Christian Schertz sieht eine gesellschaftliche Schieflage im Umgang mit Politikern. “Wir sind zu einem Land geworden, das weniger verzeiht als früher. Und das ist eine schlechte Entwicklung”, beklagte der Jurist in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. “Denn wenn wir niemandem mehr eine zweite Chance geben, haben wir als Gesellschaft versagt.” Schertz weiter: “Wir brauchen mehr Vergebung, mehr Nachsicht. Das ist uns abhandengekommen.”

Anwalt: Totale Korrektheit nützt nur den Extremen

In der heutigen “Empörungsgesellschaft” führe schon die kleinste missverständliche oder flapsige Bemerkung zu Rücktrittsforderungen, sagte der Anwalt. Die Öffentlichkeit erwarte “permanent die totale Korrektheit”. Wenn daher die Fehlervermeidung zur wichtigsten Strategie werde, profitierten davon nur extreme Politikerinnen und Politiker. “Die scheren sich einen Dreck um Political Correctness, die formulieren im Wortsinne Unsägliches”, so Schertz, und gewönnen genau so immer mehr Aufmerksamkeit.

Strengere Regeln im Kampf gegen digitale Straftaten

Schertz sprach sich ferner für eine strikte Regulierung von Internetplattformen aus. Diese müssten nicht nur dazu verpflichtet werden, rechtswidrige Inhalte wie Fake-Anzeigen oder Deepfake-Pornos zu löschen. Ihnen sollte zusätzlich auferlegt werden, technisch zu verhindern, dass diese Inhalte erneut auftauchten. Die Politik müsse Haftungsregeln aufstellen für diejenigen, die den digitalen Raum zur Verfügung stellten. “Das ist kein Randphänomen, das ist ein Milliardengeschäft.”