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“Man kann aus Brotbacken ein Familienevent machen”

Mehr als Mehl, Sauerteig und Salz braucht man nicht zum Brot selbst backen, findet Philip Süß, Ökotrophologe und Ernährungsberater am Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport des Universitätsklinikums Erlangen. Zum Tag des Deutschen Brotes am 5. Mai weist er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) darauf hin, dass viele Brote, die in Deutschland aufgeschnitten werden, gar nicht so gesund sind.

epd: Herr Süß, freuen Sie sich als Ökotrophologe und Ernährungsberater auf den Tag des Brotes?

Philip Süß: Ich freue ich mich darauf. Solche Tage sind geeignet, um das Bewusstsein zu schärfen und auf das Brot aufmerksam zu machen. Da kann man über Brot sprechen. Was ist überhaupt Brot? Wie setzt sich Brot zusammen? So lässt sich gut etwas über Brot lernen. Brot ist in Deutschland ein immaterielles Kulturgut und hat in unserer Ernährung einen hohen Stellenwert. Das gilt für die tägliche Ernährung oder auch spezielle Ernährung für Sportler, für Gesunde oder auch Kranke.

epd: Wie entwickelt sich der deutsche Brotkonsum?

Süß: Das Volumen ist recht stabil. Der Brotkonsum in Deutschland ist pro Kopf und Jahr bei ungefähr 61 Kilogramm gleichbleibend. Es gab zwischenzeitlich während Corona eine kleine Delle. Der Brotpreis ist in der letzten Zeit etwas angestiegen, das bedeutet, dass wahrscheinlich etwas weniger verzehrt wird. Dafür backen immer mehr Menschen ihr Brot selbst – vielleicht auch, weil sie mit dem Brot, das es zu kaufen gibt, nicht so zufrieden sind. Aber klar ist, Brot ist ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung und gehört zur alltäglichen Ernährung dazu. Und viele Menschen sind stolz auf ihre lokalen und regionalen Brotsorten. Wir haben in Deutschland über 3.000 Brotsorten.

epd: Brot ist ein jahrtausendealtes Kulturgut. Ist das Brot im Laufe der Zeit besser oder schlechter geworden?

Süß: Lebensmittel in gut und schlecht zu unterteilen, ist nicht immer richtig. Das wird den einzelnen Bestandteilen nicht gerecht. Ich kann den Apfel nicht als schlecht bezeichnen, weil er Fruktose enthält und einen geringen Eiweißgehalt hat. Das Problem ist eher, dass das heutige Brot anders ist als das ursprüngliche Brot, das wir vor einhundert Jahren verzehrt haben. Heute verzehren wir vermehrt Brot mit einem hohen Verarbeitungsgrad. Hinzu kommt generell, dass wir uns fortschrittsbedingt weniger bewegen und ein höheres Risiko für Übergewicht haben. Brot ist ein recht nährstoffreiches Lebensmittel und der Belag spielt zusätzlich eine große Rolle. Man kann nicht einfach über Butter oder Margarine, Salami oder Käse hinweggehen.

epd: Wie beurteilen Sie denn den Wert eines solchen hoch verarbeiteten Brotes?

Süß: Am liebsten haben wir Ernährungswissenschaftler, wenn das Brot selber hergestellt wird. Das muss man ganz klar so sagen. Am besten ist, sich zu Hause in der Küche mit den Lebensmitteln auseinanderzusetzen und ein Gefühl für Portionsmengen bekommen. Wenn das nicht möglich ist, empfehlen wir das Brot vom Handwerksbäcker um die Ecke, denn das darf bestimmte Zusatzstoffe gar nicht beinhalten. Das stark verarbeitete Brot, das wir zum Beispiel im Supermarkt kaufen, enthält Konservierungsstoffe und Lebensmittelbestandteile, die sich in größerer Menge nicht positiv auf uns auswirken. Außerdem werden die ursprünglichen Ruhezeiten des Sauer- oder Hefeteigs beim Brot aus dem Supermarkt nicht immer eingehalten. Das verträgt dann nicht jeder. Die Massenherstellung hat heute wenig mit dem zu tun, was wir ursprünglich als Brot konsumiert haben.

epd: Was macht hoch verarbeitete Lebensmittel aus?

Süß: Die Lebensmitteltechnologie benötigt viele Zusatzstoffe, damit Brot zum Beispiel schneller treibt und Geschmack entwickelt. Der menschliche Darm kannte die ganzen Zusatz- und Konservierungsstoffe vor 1.000 oder 100 Jahren noch nicht. Wir benötigen auch kein „trendbelastetes“ Eiweiß- oder Fitnessbrot. Durch die ganzen Verarbeitungsprozesse werden die positiven, zerstörbaren Nahrungsbestandteile reduziert.

epd: Und wie steuert man am besten dagegen?

Süß: Aus unserer Sicht gilt: Je mehr man selber macht, umso besser. Man kann daraus auch ein Familienevent machen. Ich hatte in der Schule noch Kochunterricht. Heutzutage werden Kinder und Heranwachsende kaum mit naturbelassenen Lebensmitteln konfrontiert. Wenn ich aber einmal in der Woche Brot backe, trage ich schon zu Gesundheits- und Ernährungsbildung mit bei. Ich kann, darf und soll mich nicht darauf verlassen, was die Industrie als gesund klassifiziert. Selber Brot backen ist immer besser. (00/1343/28.04.2024)