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Männerexperte: Gewalt ist männlich – unabhängig von der Herkunft

Angesichts der Diskussion um gewalttätige männliche Migranten mahnt der Bildungsexperte Manfred Brink eine differenzierte Sichtweise an. Zum einen werde oft nicht gesehen, dass viele dieser Männer selbst Opfer von Gewalt sind, zum anderen sei Gewalt nicht speziell ein Problem zugewanderter Männer, sagte der Soziologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Es ist männliche Gewalt, wir versperren uns den Blick, wenn wir nur auf Migranten schauen.“

Die kürzlich präsentierte Kriminalitätsstatistik hatte ergeben, dass Gewaltkriminalität zugenommen hat – insbesondere bei Männern ohne deutschen Pass. Brink arbeitet seit 2016 beim Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen (VNB). Er konzipiert Projekte rund um die Themen Männlichkeiten, Migration und Machtkritik. Vor seiner Zeit beim VNB hat Brink mit geflüchteten Menschen in Notunterkünften in Bremen gearbeitet.

Er wies darauf hin, dass gerade in den ersten Jahren des Ankommens der Alltag der häufig sehr jungen Migranten von Gewalterfahrungen geprägt ist. „Sie erleben Rassismus, Beschimpfungen, Bedrohungen, Zurückweisung“, sagte er. Natürlich gebe es niemals eine Legitimation für Gewalt, aber es gebe Erklärungsmuster und gesicherte Erkenntnisse. „Gewalt erlebt zu haben, korreliert mit der Wahrscheinlichkeit, selbst Täter zu werden.“

Ursache für Gewalt seien aber nicht Herkunft und Migrationshintergrund, sondern vor allem Gefühle von Verunsicherung, Hilflosigkeit, Angst und Ohnmacht. Bei Männerkriminalität und -gewalt gehe es oft um marginalisierte, an den gesellschaftlichen Rand gedrängte Männer. „Wenn Männer erleben, dass sie keinen Job haben, kein Geld, keine Teilhabe, wenn sie sich nicht selbstwirksam fühlen, dann sind ihre Bewältigungsmuster häufig gewaltvoll.“

Im Unterschied zu Frauen, die eher Hilfsangebote annehmen, „fressen viele Männer ihre Sorgen in sich rein.“ Das äußere sich nicht nur in Gewalt gegen andere, sondern auch gegen sich selbst. „75 Prozent der Menschen, die sich selbst töten, sind Männer.“

Zentraler Schlüssel der Gewaltprävention insbesondere bei jungen Migranten ist Brink zufolge die Teilhabe am Arbeitsmarkt. Es dauere viel zu lang, bis zugewanderte Menschen arbeiten dürfen. „Sie warten und warten, fühlen sich ausgeschlossen und nutzlos“, sagte Brink. Das könne der Nährboden von Gewalt sein. „So nach dem Motto, wenn ich nicht dazu gehören darf, dann bin ich dagegen.“

Gewalt habe keine Herkunft, sondern ein Ziel. „Die Intention, ins Handeln zu kommen – Männlichkeit quasi als letzte Ressource“.

Wichtig sei es außerdem, Zuwanderer in den ersten Jahren eng zu begleiten und empathisch zu unterstützen. „Jeder sollte anerkennen, dass sich diese Menschen vielfachen Anforderungen ausgesetzt sehen und sich immer fragen, ob hinter der Wut nicht eigentlich Angst und Verletzlichkeit stecken“.

Männerberatungsangebote, Bildungsprojekte und Begegnungsräume, in denen sich etwa jungen Väter mit und ohne Migrationsgeschichte austauschen – all das seien wirksame, effektive Faktoren von Gewaltprävention „Viel hilft viel“, sagte Brink.