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Loyal in der „Gemeinde auf Zeit“

Religionszugehörigkeit als Voraussetzung für das Arbeitsverhältnis? Ein Interview

Kürzlich forderte eine gewerkschaftsnahe Analyse, dass die Religionszugehörigkeit für Arbeitnehmer*innen nicht immer ausschlaggebendes Kriterium für eine Beschäftigung im kirchlichen Bereich sein sollte. Bei Sportlehrer*innen an konfessionellen Schulen oder Ärzt*innen in evangelischen Krankenhäusern sei das zum Beispiel nicht plausibel. Wie ist die Situation an evangelischen Schulen in der Region und wie hält es deren Träger, die Evangelische Schulstiftung der Landeskirche? Darüber sprach Uli Schulte Döinghaus mit ihrem Vorsitzenden Frank Olie.

Herr Olie, wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind bei der Schulstiftung beschäftigt?

Wir haben jetzt 1360 Mitarbeiter*innen. Davon sind rund 1220  Beschäftigte im pädagogischen Dienst tätig, Lehrer*innen, Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen.

Was wissen Sie über deren Kirchenzugehörigkeit?

Wir erheben dies seit einigen Jahren für alle Mitarbeitenden, also auch für Verwaltungsangestellte und Hausmeister. Circa 84 Prozent sind kirchlich gebunden. Die meisten sind evangelisch, die anderen ge­hören einer Kirche an, die zur ­Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen gehört (ACK). 

Was steht dazu in den Arbeitsverträgen?

Unsere Arbeitsverträge basieren auf dem Tarifvertrag der EKBO (TV EKBO). In ihnen nehmen wir konkret Bezug auf die Kirchenmitgliedschaft. Sie muss entweder binnen drei Monaten nachgewiesen werden oder es muss eine Ausnahmegenehmigung seitens des Vorstands erteilt worden sein. Diese Ausnahmegenehmigung wird immer für die ersten zwei Jahre der Beschäftigung erteilt. Eine unbefristete Beschäftigung ohne eine Kirchenmitgliedschaft ist nur auf Grund eines Vorstandsbeschlusses möglich oder weil die Berufsgruppe von der Pflicht zur Kirchenmitgliedschaft ausgenommen ist wie etwa Sekretär*innen oder Hausmeister*innen.

Werden leitende Angestellte anders behandelt als andere?

Mitarbeitende in Leitungspositionen müssen Mitglied der Evangelischen Kirche oder einer Kirche der ACK sein. Für alle anderen gilt ohne einen Nachweis der entsprechenden Mitgliedschaft, dass eine Ausnahmegenehmigung des Vorstandes vorliegen muss. Hausmeister*-innen oder Sekretär*innen müssen seit 2017 nicht mehr zwingend ­einer Kirche angehören.

Wird während dieses Zeitraums ein gewisser Druck auf die kirchenferne Lehrkraft ausgeübt, einer Glaubensgemeinschaft beizutreten?

Nein, das würde keinem helfen. Das täte seiner oder ihrer Persönlichkeit nicht gut, und auch uns nicht. Wenn jemand die Entscheidung trifft, sich taufen zu lassen, dann sollte das wirklich von der Person selbst kommen und aus Überzeugung geschehen. 

Wir ­bieten ein dreitägiges Seminar als Einstiegsveranstaltung an, das wir „Happy Basics“ nennen. Da geht es um Fragen wie: Was bedeutet es, an einer evangelischen Schule ­tätig zu sein. Wie kann ich mich mit Glauben und christlicher Spiritua­lität auseinandersetzen? Auch nach ­diesen drei einführenden Tagen ­bieten wir Gespräche an, und unsere Schulen sind in der ­Regel gut ­vernetzt mit den ört­lichen Kirchengemeinden, zu denen wir Kontakte vermitteln. Wir machen Angebote, bedrängen aber niemanden.

Warum ist es wichtig, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich zur Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche bekennen?

Es ist eben etwas Besonderes, an einer evangelischen Schule tätig zu sein und sich dort in dieser ­„Gemeinde auf Zeit“ und bei der ­Gestaltung des evangelischen Profils beruflich einzubringen. Beides sollte von allen Teilen der Schul­gemeinde mitgetragen werden.

Inwiefern ist der Konflikt um die Kirchenmitgliedschaft im Alltag der Schulstiftung von Bedeutung. Oder ist das eine akademische Debatte?

Das ist keine akademische Frage, sondern wir werden damit immer wieder konfrontiert – in einer Zahl, die sich über die Jahre hin gesteigert hat. Schließlich leben wir in ­einer der meist-säkularisierten ­Regionen Deutschlands – gelten aber gleichzeitig als attraktive ­Arbeitgeberin und beliebte Schulträgerin. Insofern haben wir immer wieder die Situation, dass wir erstmal eine befristete Einstellung ­anbieten und dann die Option, dass Menschen sich taufen lassen – oder auch nicht. Über Ausnahmen, die seit 2017 möglich sind, entscheidet auf Antrag der Schulleitung der Vorstand der Schulstiftung. 

Was sind das für Ausnahmen?

Zum Beispiel bei Personen, die auch nach der Zeit der Befristung nicht in die Kirche eintreten wollen oder können. Oder es handelt sich um Gründe, die zum Beispiel mit Herkunft und absoluter Kirche­n­ferne zu tun haben, wie bei einigen Menschen, die noch in der DDR ­auf­gewachsen sind. 

Wovon hängt die Entscheidung über Ausnahmen ab?

Wichtig ist, dass diese Menschen loyal sind, das evangelische Profil mittragen und sich auch aktiv ­einbringen in die Gestaltung des evangelischen Profils. Das ist ja der Grund, auf dem wir pädagogische Arbeit betreiben. Es bedeutet, ­Gemeinschaft zu leben mit allen ­Beteiligten vor Ort, also nicht nur im Kolleg*innen-Team, sondern auch mit den Eltern und den ­Schüler*innen. Pädagog*in zu sein bedeutet auch, dieser Gemeinschaft Ausdruck zu verleihen, etwa durch gemeinsame Andachten und ­Gottesdienste. 

In Berlin und Brandenburg herrscht Lehrer- und Bewerbermangel. Können die evangelischen Schulen mit dem Staat konkurrieren? 

Auch wir müssen uns bemühen und anstrengen, neue Lehrkräfte zu finden. Nicht wenige verzichten ­bewusst auf die Sicherheit der ­Verbeamtung, weil sie das päda­gogische Konzept und die partnerschaftliche gemeinschaftliche Arbeit in den Kollegien der evange­lischen Schulen schätzen. Natürlich haben wir Kolleg*innen, die trotzdem gehen. Aber wir haben auch Fälle von Leuten, die zum Staat ­gewechselt, dann wieder zurück­gekommen sind und gesagt haben: „Also das ist nicht die Art, pädagogisch zu arbeiten, wie wir uns das vorstellen.“