Die Suizidzahlen sind in Deutschland zum ersten Mal seit mehreren Jahren wieder gestiegen. Warnsignale werden im Vorfeld oft nicht erkannt. Doch wie funktioniert gute Suizidprävention?
Als einen “ersten überfälligen Schritt” hat die Bundesärztekammer die Nationale Suizidpräventionsstrategie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezeichnet. Kammer-Präsident Klaus Reinhardt forderte zugleich am Freitag in Berlin ein schnelles und umfassendes Suizidpräventionsgesetz. “Nur die gesetzliche Verankerung der Suizidprävention sorgt für die notwendige dauerhafte finanzielle Absicherung der einzelnen Maßnahmen.”
Lauterbach hatte Eckpunkte der Strategie am Donnerstag vorgestellt. Dazu zählen unter anderem die Vernetzung und Koordination der Suizidprävention, die Etablierung von Rund-um-die-Uhr-Krisendiensten sowie eine zentrale Rufnummer für Menschen mit akuter Suizidgefährdung.
Nach Einschätzung der Bundesärztekammer muss nun geklärt werden, wie die einzelnen Maßnahmen finanziert und personell ausgestattet werden, etwa im Hinblick auf die vorgesehene Koordinierungsstelle. Auch müsse entschieden werden, wie bereits vorhandene und gut funktionierende Strukturen der Suizidpräventions genutzt werden könnten, auch um Doppelstrukturen zu vermeiden.
In Deutschland sterben im Schnitt täglich rund 28 Personen an Suizid. 2022 lag die Zahl der Suizide erstmals seit acht Jahren wieder höher als 10.000. Damit sterben mehr Menschen durch Selbsttötung als durch Verkehrsunfälle, Mord, AIDS/HIV und illegale Drogen zusammen.
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention begrüßte die Strategie. “Mit wenigen Mitteln kann bei der Suizidprävention noch viel erreicht werden – vor allem, wenn man bedenkt, wie viel Geld für die Verhinderung von Verkehrstoten ausgegeben wird, obwohl durch Unfälle zwei Drittel weniger Menschen versterben”, erklärte der Vorstandsvorsitzende Ulrich Hegerl. Vorschläge wie die Etablierung einer bundesweiten Rufnummer für Menschen in akuten suizidalen Krisen oder die systematische Erhebung von Suizidversuchen seien wichtig. Zugleich kritisierte Hegerl, dass die Versorgungssituation psychisch erkrankter Menschen zu wenig im Blick sei; sie müsse verbessert werden. Insbesondere Depressionen gingen mit einem erhöhten Suizidrisiko einher.
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, kritisierte eine mangelnde Finanzierung. “Angesichts der steigenden Suizidzahlen, von denen Minister Lauterbach berichtet, wirkt es wie ein Hohn, dass es keine Idee zu geben scheint, wie die erfolgreichen Maßnahmen, die aufgelistet werden, finanziell abgesichert und nachhaltig fortgeführt werden sollen”, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag). Viele der bestehenden Angebote wie die Online-Suizidpräventionsberatung des Caritasverbandes stünden damit weiterhin auf unsicheren finanziellen Beinen.