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Lilo Wanders sieht Regenbogenflaggen-Verbot differenziert

Formal verständlich, aber unfreundlich – das sagt Travestiestar Lilo Wanders zur Entscheidung, am Reichstag nicht die Regenbogenflagge zum Christopher-Street-Day zu hissen. Zudem spricht er über seine Ehe und das Alter.

Travestiestar Lilo Wanders sieht das Regenbogenflaggen-Verbot von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) differenziert. “Ich möchte Frau Klöckner inhaltlich nicht auch noch zur Seite springen, aber formal gesehen hat sie Recht. Ansonsten müssten ja auch zu allen anderen Feier- und Gedenktagen die entsprechenden Flaggen am Reichstag gehisst werden”, sagte Wanders dem “Münchner Merkur” (Mittwoch). “Aber natürlich ist das Regenbogenflaggen-Verbot eine unfreundliche Geste und zeigt, wes Geistes Kind sie ist. Wer fühlt und denkt, der sieht, wie sich die Lage für queere Menschen in Deutschland verschärft. Das beunruhigt mich.”

Lilo Wanders ist eine Kunstfigur von Ernst-Johann (“Ernie”) Reinhardt, der am 22. September 70 Jahre alt wird. Reinhardt ist nach eigenen Worten schwul, lebt aber seit 40 Jahren mit seiner Frau zusammen; beide haben drei erwachsene Kinder und drei Enkel. “Die Liebe macht alles möglich”, sagte Reinhardt alias Wanders. “Vielleicht war es eine karmische Begegnung, dass Brigitte und ich aufeinandergetroffen sind. Ansonsten gäbe es unsere tollen Kinder und Enkelkinder nicht.”

Auf die Frage, ob man sich mit 70 noch verändern könne und solle, erwiderte der Künstler: “Unbedingt! Wenn jemand sein Leben lang einen Sack mit Problemen mit sich rumgeschleppt hat, kann man auch mit 70 Jahren noch eine Therapie anfangen und seine Lebensumstände komplett ändern. Je älter man wird, desto mehr Erkenntnisse gewinnt man, und jede Erkenntnis bringt einen weiter.” Er rechne damit, noch mindestens 15 Jahre vor sich zu haben, so Reinhardt. “Die will ich so offen und neugierig wie möglich gestalten.”

Julia Klöckner hatte vor einigen Wochen angeordnet, am Reichstag nicht die Regenbogenflagge zum Christopher-Street-Day zu hissen. In den vergangenen Jahren war das der Fall gewesen. Klöckner hatte entschieden, die Regenbogenflagge immer am 17. Mai auf dem Bundestag zu hissen. Auf dieses Datum fällt der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit.

Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe.