Oft kommt es nicht vor, dass ein bildender Künstler eine Design-Ikone erschafft. Günter Fruhtrunk ist dies aber gelungen: Er entwarf die Aldi-Nord-Tüte. Berühmt ist er vor allem für seine abstrakten Gemälde.
100 Jahre wäre Günter Fruhtrunk (1923-1982) in diesem Jahr geworden. Grund genug, dem deutschen Maler im Münchner Lenbachhaus bis 7. April 2024 eine größere Ausstellung mit 60 Gemälden zu widmen. Denn der Künstler hat für das Museum immer eine große Rolle gespielt. Fruhtrunk ist nicht nur in München geboren und gestorben, er war ab 1967 Professor an der dortigen Kunstakademie, das Lenbachhaus zeigte 1973 seine erste Retrospektive und verwaltet auch seinen Nachlass.
Mit anderen Worten: Das Haus konnte für die just eröffnete Schau, die 13 wichtige Jahre seines Schaffens in Paris umfasst, aus dem Vollen schöpfen. Fruhtrunk gilt zwar als wichtigster Vertreter der konkreten Kunst in Deutschland und ist hier fest im kulturellen Gedächtnis verankert, aber seine Karriere hat zuvor, in den Jahren 1954 bis 1967, in Frankreich begonnen. Schwer verwundet aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt, an dessen Folgen er physisch und psychisch bis an sein Lebensende litt, war der junge Deutsche im Paris der Nachkriegsjahre nicht gerade willkommen. Dennoch fand er prominente Fürsprecher wie die Künstler Jean Arp oder Sonia Delaunay.
Die Kriegsthematik kommt aber in seinen Bildern überhaupt nicht vor. Vielmehr setzte Fruhtrunk in seinen Pariser Jahren alles daran, mitten unter den erfindungsreichsten Malern der Abstraktion seinen eigenen Stil zu finden. Seine Hinwendung zu dieser Kunstrichtung verstand er durchaus als politische Haltung, um dem Postfaschismus in Deutschland etwas entgegenzusetzen: die abstrakte Malerei als universelle und Nationalitäten überwindende Kunstsprache. So versuchte er den Anschluss an die internationale Avantgarde zu finden.
Fruhtrunk wollte alles Persönliche, Erzählerische und Prozesshafte aus einem Bild eliminieren. War er doch überzeugt: Wenn all dies wegfalle, erst dann könnten Formen und Farben ihre wahre Wirkung entfalten. Nach seinen ersten Monaten in Paris entstanden Bilder, die noch sehr räumlich wirken. Auf vielschichtigen Bildflächen bewegen sich dichte Formen: Mächtige schwarze Rechtecke schweben, bumerangartige Formen schwingen, kleine Bälle verkörpern Fliehkräfte und von einem hellen Hof umrandete Kugeln rotieren wie rückwärts beleuchtete Himmelskörper.
Seine ineinander gefügten Formen aus den Jahren 1957 bis 1959 bauen auf starken Farbkontrasten auf: Schwarz und Weiß, ergänzt durch wenige weitere Farben, oft ein kräftiges Rot, kombiniert mit neutralen Blau-, Grün- oder Grautönen. Die leicht verfremdeten geometrischen Formen werden dichter verschränkt, Kreise werden in Quadrate eingepasst und umgekehrt, Linien verdichten sich zu Balken. Und parallel rhythmisierte Streifen geraten immer häufiger in eine Schräglage.
Schließlich geht der Bildraum auf in einer undurchdringlichen flächigen Struktur, in einer komplizierten und doch ruhigen Ordnung. Man kann sich als Betrachter kaum mehr orientieren. Ein Bezugssystem fehlt, alles ist relativ und man versteht den Gesamtzusammenhang nicht mehr. Doch das erzeugt beim Betrachten eine Art Bewegung und im intensiven Zusammenwirken von Farben und Formen die Illusion eines Lichtraums.