Die Leiterin des Münchner NS-Dokumentationszentrums, Mirjam Zadoff, befürchtet, dass der Umgang mit Gedenktagen wie dem 9. November zum Ritual erstarrt. “Es hängt sehr viel davon ab, wie man solche Tage füllt”, sagte die 49-Jährige dem “Münchner Merkur” (Donnerstag). Daneben sei es wichtig, dass Lern- und Gedenkorte finanziert werden und unabhängig arbeiten könnten.
“Eigentlich ist dieses Bewusstsein in Deutschland vorhanden. Aber es gehört auch die Klarheit in politischen Äußerungen dazu”, sagte Zadoff und gab zugleich zu bedenken: “Aktuell flirten Teile der Politik permanent mit rechtem Gedankengut – das hilft nicht. Da kann Gedenken schnell zur Feigenblattrhetorik verkommen.”
Weiter verwies sie darauf, dass die noch lebenden Zeitzeugen gerade für jüngere Menschen das Bindeglied zu einer Zeit seien, die sie nicht kennen. “Diese Menschen sind da, sind präsent und ansprechbar.” Max Mannheimer (1920-2016), Ernst Grube oder Charlotte Knobloch (beide Jahrgang 1932) seien immer wieder in Schulen gegangen und täten es zum Teil bis heute, obwohl sie hochbetagt seien. “Sie setzen sich dabei immer wieder ihren Traumata aus – um uns Nachgeborenen eine bessere Welt zu hinterlassen. Das ist ein unglaubliches Geschenk und eine unglaubliche Leistung.”
Mit ihrem Tod hinterließen diese Zeitzeugen große Lücken, sagte Zadoff. Denn diese Personen stellten auch eine Art moralische Instanz in aktuellen Debatten dar. Das werde schwer zu ersetzen sein.