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Lehrerverband: Wenn Schüler abdriften, sind die Eltern gefragt

Lehrkräfte sollen Kinder zu demokratischen Bürgern erziehen. Aber was können sie tun, wenn AfD-Parolen oder antisemitische Sprüche im Unterricht fallen? Was rät der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes?

Lehrkräfte können nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbands nur bedingt dagegen vorgehen, wenn Schüler sich rechtsextremen oder anderen problematischen Einstellungen zuwenden. Gefragt seien hier vor allem die Eltern, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, im Interview des Magazins “Stern” (Mittwoch).

“Lehrkräfte merken nicht unbedingt, wenn jemand komplett abdriftet”, fügte er hinzu. Dagegen lasse sich auch nur schwer etwas tun in der Schule: “Das hängt aus meiner Sicht stark mit den Eltern zusammen – viele Jugendliche sind politisch zumindest ähnlich eingestellt wie ihre Eltern.” Wenn die Eltern etwa AfD wählten, präge das die Kinder.

Lehrer könnten und müssten versuchen, Kinder zu Demokraten zu erziehen, ergänzte Düll. Besonders wichtig sei es, bei populistischen oder gar extremistischen Aussagen sofort einzuschreiten und auch aufzuzeigen, warum diese nicht in Ordnung seien.

Jugendliche seien derzeit sehr diskussionsfreudig und wollten sich über aktuelle politische Themen austauschen, berichtete der Verbandschef. Und viele von ihnen bildeten sich über das Internet eine Meinung: “Es gibt so viele Informationen im Netz, aber es kommt natürlich immer darauf an, wie man sie nutzt: ob man sich über Instagram oder Tiktok zu politischen Themen bildet oder eben Quatsch konsumiert.”

In dem Zusammenhang forderte Düll die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass verfassungsfeindliche Inhalte in sozialen Netzwerken rasch gesperrt werden: “Dann sollten Eltern aber auch darauf achten, was gerade jüngere Kinder alles zu sehen bekommen. Die müssen nicht alles sehen. Es hat einen Grund, dass manche Plattformen erst ab einem gewissen Alter offiziell erlaubt sind.”

Als ein Problem benannte der Lehrerverbandschef, dass vielen jungen Menschen die Lebenserfahrung fehle, weshalb sie sich fast zwangsläufig an anderen orientieren müssten. Bei Themen wie Judenhass und Nationalsozialismus seien daher Berichte von Zeitzeugen besonders wichtig. Umso bedauerlicher sei es, dass es immer weniger Überlebende des Holocaust gebe, die aus erster Hand berichten könnten.

Schülern falle es oft schwer, Falschinformationen zu erkennen, führte der Lehrerverbandschef weiter aus: “Wichtig ist, dass das Elternhaus den Kindern Werte vermittelt” Dann merkten Schülerinnen und Schüler auch, wenn gewisse Aussagen nicht in Ordnung seien. Als Beispiel nannte Düll “die unsäglichen Aussagen der AfD zur Remigration. Da merken Schüler sofort, wen in der Klasse das betreffen würde und dass Freunde auf einmal das Land verlassen müssten.”

In den meisten Familien werde mit viel Anstand über Menschen gesprochen, so Düll weiter: “In anderen wird in deutlichem Jargon über Politiker hergezogen, dann ist von ‘den Ärschen’ die Rede. Das können Kinder nicht abschütteln. Da sollten Lehrkräfte widersprechen und sagen: ‘So spricht man nicht übereinander, auch nicht über Politiker’.”