Die spinnen, die Römer! Wir befinden uns im Jahre 2025 nach Christus. Der Vatikan schafft Latein als erste Amtssprache ab. Aber lateinische Sprachinseln leisten Widerstand. Zum Beispiel in Köln.
Schwarzgraue Basaltquader und eine grüne Tür mit doppeltem Schloss wachen über den Eingang in die Unterwelt am Rand von Köln. “ROEMERGRAB” ist in roten Lettern in den Stein gemeißelt. Seit einigen Jahren weist sogar eine nahe gelegene Straßenbahnhaltestelle auf die archäologische Fundstätte im Stadtteil Weiden hin. Erst im November zeichnete der ADAC die Verantwortlichen des Lern- und Erlebnisortes mit einem Tourismuspreis aus. Und jetzt legt der Förderverein Römergrab Weiden nach: mit einer Broschüre in lateinischer Sprache.
Während im Vatikan gerade Latein den Status als erste Amtssprache verloren hat, drehen sie in Köln den Spieß um. Und wollen künftig die lateinische Broschüre neben die bereits vorhandenen Ausgaben in Deutsch, Englisch, Französisch und Niederländisch in die erste Reihe legen. “Damit gibt es erstmals in Europa, vermutlich in der ganzen Welt einen Museumskatalog in lateinischer Sprache”, gibt sich der Vereinsvorsitzende Heinz Günter Horn überzeugt.
Für das Projekt setzten die Vorstandsmitglieder Gudrun Schmitz, Leiterin des Dezernats Denkmalpflege in der Bezirksregierung Köln, sowie der stellvertretende Direktor des Römisch-Germanischen Museums in Köln, Dirk Schmitz, alle Hebel in Bewegung. “Non conspicuum sed unicum est…” (“Unscheinbar und doch einzigartig…”). Mit diesen Worten beginnt die von Norbert Kemper erarbeitete Übersetzung der Broschüre. Der Mix aus Führer und Katalog nimmt die Besucher mit auf eine Reise in eine rund 2000 Jahre alte Vergangenheit.
Wo heute die viel befahrene Aachener Straße ins Kölner Umland führt, floss auch damals schon der Verkehr. Bei den alten Römern verband die später auf den Namen “Via Belgica” getaufte Route Köln, also die Colonia Claudia Ara Agrippinensium, mit Gallien und der Kanalküste. Am Rand der Straße befand sich ein großer Gutshof mit schätzungsweise 50 bis 60 Bewohnern. Einige von ihnen wurden zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert in der Grabkammer bestattet, die 1843 bei Bauarbeiten wiederentdeckt wurde.
Schon damals war den Zeitgenossen klar, dass es sich um einen “Jahrhundertfund” handelte. Kein Geringerer als der Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner beteiligte sich in den Folgejahren am Erhalt des Grabmals. Heute gilt es als eine der besterhaltenen Anlagen nördlich der Alpen. “Ein kleiner Kosmos, der ganz viele Aspekte der römischen Kultur veranschaulicht”, sagt Hanne Rose. Die Archäologin engagiert sich seit einigen Jahren im Förderverein und steigt immer wieder gern die Stufen hinab zu der sechs Meter unter der Erdoberfläche gelegenen Grabkammer.
Die sei gestaltet wie ein Speisezimmer der damaligen Zeit, sagt Rose und deutet auf drei steinerne Speisebetten und zwei Sessel. Der imposante Sarkophag vor der Stirnwand ist aus Marmor und wurde damals offenbar direkt aus Italien importiert. Ein Hinweis auf die Kunstsinnigkeit der Gutsbesitzer – und deren Vermögen. Die reiche Bildersprache auf dem Sarkophag greift Vorstellungen von Tod und Jenseits auf, die im ganzen Römischen Reich verstanden wurden, wie die Archäologin erläutert. “Das war ein einigendes Band – genauso wie die Sprache.”
Womit wir wieder beim lateinischen Katalog wären. Woher kam, bitteschön, die Idee? Schulklassen und deren Lehrer hätten immer wieder danach gefragt, sagt Rose. Wie zum Beweis finden sich im Gästebuch neben Einträgen aus Pakistan oder Neuseeland immer wieder auch Danksagungen in Latein. “Sepulcrum valde nos placuit!” (“Die Grabstätte hat uns sehr gut gefallen!”), notiert eine offenbar bestens gelaunte und präparierte Gruppe des “Lyceum Andreae”.
Rund 4.000 Besucher pro Jahr verzeichnet dieser besondere Ort in Köln. Es können gern mehr werden, findet der Förderverein. Freunde des Lateinischen kommen übrigens auch beim Gang zur Toilette auf ihre Kosten. Den Weg weist ein Zitat des Dichters Horaz: “Omnes eodem cogimur” – “Wir alle müssen zum selben Ort”.