Im Umgang mit Betroffenen von Missbrauch will die badische Landeskirche künftig noch sensibler sein. Es gehe darum, im Umgang mit sexuellem und spirituellem Missbrauch selbstkritischer hinzusehen, sagte die badische evangelische Landesbischöfin Heike Springhart am Montag vor Journalisten in Bad Herrenalb. Dort findet die Herbsttagung der Synode der Evangelischen Landeskirche in Baden bis Donnerstag statt.
Bei Missbrauch gehe es primär um Macht, Machtmissbrauch und Abhängigkeit und „letztlich um die Verletzlichkeit des Lebens“, sagte Springhart. Schon im universitären Leben und Lehren sollte das Thema stärker wahrgenommen und Studierende sensibilisiert werden, sagte die Bischöfin, die auch an der Universität Heidelberg lehrt.
Zuvor hatte die Kirchenhistorikerin Ute Gause (Bochum) das anonymisierte Beispiel eines badischen Pfarrers vorgestellt, der zahlreiche Übergriffe begangenen hatte. Obwohl es immer wieder Hinweise gegeben hatte, seien sie von der Kirchenleitung jahrelang nicht beachtet worden.
Das Phänomen der sexuellen Übergriffigkeit und des Missbrauchs stelle die Kirchen ungeachtet der Konfession vor gravierende Probleme, sagte Gause. Jahrhundertelang hätten Kirche und Glaube die Moral definiert und seien als Instanzen gesehen worden, in denen die sexuelle Integrität von Personen als unantastbar galt.
Die Institution habe das Wegsehen gefördert, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“. Dazu komme das „unerledigte Machtproblem“, so Gause. Die Idealisierung der Kirche als Familie und als Gemeinschaft habe dazu geführt, dass Machtausübung verdeckt wurde und Opfer häufig ihre Missbrauchserfahrungen nicht thematisieren konnten.
Bei künftigen Untersuchungen sollte der Blick für „rigide Frömmigkeitsstrukturen und enge theologische Konzepte geschärft werden, in Landeskirchen wie im evangelikalen Milieu“, forderte Gause. Andererseits bestehe eine Gefährdung auch bei betont liberalen und alternativen Strömungen. (2533/23.10.2023)