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Krimi “Only the River Flows” über eine Mordserie in China

Die Jagd auf einen Serienmörder in der chinesischen Provinz bringt einen Kommissar an seine psychischen Grenzen. “Only the River Flows” beeindruckt als Film Noir, lässt aber zwischendurch auch komische Elemente zu.

In der Kleinstadt Peishui in der chinesischen Provinz Jiangong regnet es ständig. Im Jahr 1995 hat sich der Ort zwar noch eine fast altertümliche Unberührtheit bewahrt. Doch die Transformation der chinesischen Gesellschaft zur globalen Wirtschaftsmacht steht auch hier bevor. Schon sieht man die ersten Bagger am Werk. Das örtliche Kino wird ebenfalls transformiert. In seine von der Zeit gezeichneten Räume zieht jetzt die Polizei ein. Kommissar Ma Zhe (Zhu Yilong) und seine Männer sollen einen Mörder überführen, der in der Umgebung sein Unwesen treibt. Ihm fiel als erstes die betagte “Oma 4” zum Opfer. Sie wurde mit einer Art Machete am Fluss erschlagen. Dort werden bald auch weitere Leichen gefunden.

Als Verdächtigen identifiziert Ma Zhes Vorgesetzter schon bald einen sogenannten “Irren”. “Oma 4” hatte den geistig verwirrten Mann, der nicht spricht und von den Einheimischen als harmlos beschrieben wird, einst adoptiert. Kommissar Ma Zhe zweifelt allerdings an der Schuld des Verdächtigen. Für ihn ist der Fall noch nicht abgeschlossen.

Der ständige Regen und der Nebel über der Kleinstadt und dem Fluss bilden in “Only the River Flows” von Wei Shujun starke bildliche Komponenten. Das Städtchen mit seinen vom Regen blankgewaschenen Ziegeldächern liegt im Nirgendwo. Hinter dem Fluss kann man in der Ferne einen Gebirgszug erkennen. Die Bilder von Kameramann Zhiyuan Chengman sind düster und schön zugleich. In ihrer Wiederholung und dem Mangel an Licht spiegeln sich auch die psychischen Belastungen des Protagonisten.

Denn bald zehrt der Fall, in den er sich immer weiter hineinsteigert, an Ma Zhes Gemüt. Auch privat läuft bei dem Polizisten nicht alles rund. Seine Frau ist schwanger, aber das Baby scheint nicht gesund zu sein. Um dem Streit mit seiner Ehefrau auszuweichen – er will abtreiben, sie nicht – schiebt Ma, der früher ein exzessiver Trinker war, extra viele Nachtschichten. Der Polizist wird immer mehr verunsicherter und leidet an (Traum-)Visionen. Bald weiß er nicht mehr so genau, ob die Gestalten, die er sieht, real sind oder eingebildet.

Außerdem lähmt ihn die Hierarchie innerhalb der Polizei. Der ihm eigentlich wohlgesinnte ältere Chef übt Druck auf ihn aus. Offenbar will die Partei schnelle Resultate und ist mit dem vermeintlichen Täter zufrieden. Ma Zhes Bedenken hätten in einem Polizeireport nichts zu suchen, findet sein Chef.

Auch eines der musikalischen Themen, Beethovens melancholische “Mondscheinsonate”, ertönt immer dann, wenn Ma Zhe in Tat und Gedanken stagniert. Die Filmmusik von Howard Shore verstärkt die allgemeine Stimmung des Schwebezustands in einer düsteren Traumwelt. Denn in den labyrinthartigen Gassen der Stadt verrennt sich Ma Zhe immer wieder. Er gerät in Panik und lässt sich zu Kurzschlusshandlungen hinreißen, was seinen Verdruss verstärkt.

Die Vergangenheit des Kommissars wird zwar nur angerissen, doch die bruchstückhaften Informationen über seinen Alkoholkonsum und einen mysteriösen Orden lassen ihn zeitweilig recht zwielichtig erscheinen.

Ganz so düster will der Film dann aber doch nicht werden; etliche komische Szenen sorgen für entspannende Momente. So entpuppt sich Ma Zhes Partner Xie (Kai Tong Lin) als sympathischer Trottel. Er summt und singt beständig, macht komische Geräusche und zieht Spielfilme für die Lösung des aktuellen Falles heran. “Only the River Flows” skizziert einige gesellschaftliche Außenseiter, wie den vermeintlichen Täter, ohne sie zu verurteilen. Auch Ma Zhe begegnet ihnen eher tolerant, sehr im Unterschied zu seinem Chef. Der ältere Mann ist ein autoritärer Beamter der alten Schule, der sich nicht gern auf Ungewisses einlässt und schnell kategorische Urteile fällt. Das Schwanken seines jungen Untergebenen wertet er als Verrat am Polizeidienst und am sozialistischen Kollektiv.

Als einzig unzerstörbare Konstante und als verlässlicher Zeuge in diesem psychologisch und ästhetisch anspruchsvollen Krimi erweist sich letztendlich der Fluss. Der hat die Morde erlebt und überlebt, kann aber nicht sprechen.