Noch nie waren so viele Bundesbürger an Depressionen erkrankt. Das hängt auch mit den Folgen der Corona-Pandemie zusammen. Der neue “Gesundheitsatlas Deutschland” der AOK zeigt auch regionale Zusammenhänge.
Rund 9,5 Millionen Menschen in Deutschland sind laut dem aktuellen “Gesundheitsatlas Deutschland” 2022 von Depressionen betroffen gewesen. Im Verlauf der vergangenen fünf Jahre sei die Depressions-Häufigkeit kontinuierlich angestiegen, teilte das Wissenschaftliche Institut der AOK (Wido) am Mittwoch in Berlin mit. Während 2017 noch 11,8 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner ab zehn Jahren eine ärztlich diagnostizierte Depression hatten, waren es 2022 bereits 12,5 Prozent – ein neuer Höchststand.
Insbesondere bei den jüngeren (10 bis 24 Jahre) und den älteren Altersgruppen (ab 65 Jahre) gab es in den Pandemiejahren einen deutlichen Zuwachs. “Dabei sind jedoch insgesamt viel mehr ältere Menschen von Depressionen betroffen”, sagt Wido-Geschäftsführer Helmut Schröder. Bei Jugendlichen kommen Depressionen noch selten vor. Die Zahlen spiegelten wider, dass junge und ältere Menschen die besonders verletzlichen Gruppen in der Pandemie gewesen seien, so Schröder. “Einsamkeit ist ein Risikofaktor für das Entstehen einer Depression, und besonders Menschen in hohem Alter waren in Pandemiezeiten häufig allein und isoliert.”
In allen Altersgruppen sind Frauen häufiger erkrankt als Männer. Bei den 60- bis 64-Jährigen ist mehr als jede fünfte Frau und fast jeder sechste Mann betroffen. In den Altersklassen zwischen 65 und 74 Jahren ist dann ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Nach diesem “Knick” steigen die Zahlen jedoch weiter deutlich an. Der höchste Wert wird bei den 80- bis 84 jährigen Frauen mit 27,7 Prozent erreicht. Bei den Männern wird der höchste Anteil mit 17,6 Prozent in der Altersgruppe ab 90 Jahren gemessen.
Der Gesundheitsatlas analysiert auch die regionale Verteilung der Erkrankung. Danach gab es im Saarland mit 14,2 Prozent den höchsten Anteil der Betroffenen; es folgen Hamburg (13,5 Prozent) und Hessen (13,4 Prozent). Am niedrigsten ist die Krankheitshäufigkeit in Sachsen mit 11,1 Prozent, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern (11,2 Prozent) und Brandenburg (11,4 Prozent). Der knapp 150-seitige “Gesundheitsatlas Deutschland” zum Thema Depression ist im Vorfeld des “Welttages der seelischen Gesundheit” am Donnerstag veröffentlicht worden.
Werden die Depressionsprävalenzen auf der Ebene der 400 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland betrachtet, zeigen sich noch deutlichere Unterschiede: Der höchste Anteil von Betroffenen findet sich in Offenbach am Main mit 17,7 Prozent, gefolgt von Nürnberg (16,6 Prozent) und Remscheid (16,4 Prozent). Die Regionen mit dem geringsten Anteil an Patientinnen und Patienten mit Depression sind Heidelberg mit 8,4 Prozent sowie die Kreise Waldshut (8,9 Prozent) und Rotenburg an der Wümme (9,2 Prozent).
Die Bedeutung der Erkrankung zeigt sich auch bei den volkswirtschaftlichen Kosten: So entfielen nach der letzten Krankheitskosten-Statistik des Statistischen Bundesamtes 9,5 Milliarden Euro auf Depressionen. Dies entspricht 2,2 Prozent aller Krankheitskosten. Zusätzlich zu den direkten Krankheitskosten entstehen indirekte Kosten durch krankheitsbedingte Fehltage.
Die Ausfalltage wegen Depression belegen mit durchschnittlich 43 Tagen je Fall einen Spitzenplatz unter den Erkrankungen, die eine Arbeitsunfähigkeit auslösen. Auf die 34,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2022 hochgerechnet, ergeben sich daraus 53,8 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage und Produktions-Ausfallkosten in Höhe von etwa 6,9 Milliarden Euro.
Zu den Risikofaktoren, die zur Entstehung von Depressionen beitragen können, gehören neben Alter und Geschlecht auch Begleiterkrankungen, kritische Lebensereignisse oder chronischer Stress. In Regionen mit einem höheren Anteil an Patientinnen und Patienten mit Angststörungen oder Rückenschmerzen sind auch mehr Menschen von Depressionen betroffen.