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Kopten: Glaube trotz großer Gefahr

Schon wieder ein Anschlag auf koptische Christinnen und Christen in Ägypten. Doch trotz aller Gefahr: Die Klöster der Kopten verzeichnen Zulauf. Sie gehören zu den ältesten christlichen Klöstern überhaupt. Viele junge Männer wollen Mönche werden. Das erfahren wir auf der Pilgerreise mit Bischof Anba Damian zur Koptisch-Orthodoxen Kirche in Ägypten

„Einfachheit und Schönheit gehen gut zusammen“, betont Bischof Anba Thomas, als er uns durch das Anaphora-Zentrum der Koptischen Kirche führt. Es liegt an der Autobahn, die von Kairo nach Alexandrien führt und in unmittelbarer Nähe zum Wadi Natrun mit seinen berühmten Wüstenklöstern liegt.
Bischof Anba Damian aus Höxter-Brenkhausen hat zu einer ökumenischen Pilgerreise eingeladen. Er zeigt uns seine Heimat, die alten Klöster seiner Koptisch-Orthodoxen Kirche.

Anaphora besticht durch seine Einfachheit und Schönheit. Eine blühende Oase und ein Tagungszentrum mitten in der Wüste. Neben einem Bibeldorf und einem Zentrum für traumatisierte Mädchen und junge Frauen  gibt es hier ein berufsbildendes Ausbildungszentrum und Öko-Landwirtschaft. Freiwillige aus der ganzen Welt arbeiten hier mit Menschen zusammen, die aus der ärmsten Region Ägyptens, aus Oberägypten, stammen.

Dort liegt das Bistum von Bischof Thomas. Es sind vor allem junge Frauen und einige Männer, die hier eine Ausbildung machen, um dadurch ihren Familien helfen zu können. „Hinter jedem Mädchen steht eine Geschichte“, sagt Bischof Thomas leise und fährt fort: „In jedem Menschen sollten wir Gottes Schönheit entdecken und mit diesem Bewusstsein andere Menschen aufrichten. Wir bilden auch Führungskräfte aus, um unsere Gesellschaft zu verändern“, so Bischof Thomas.

Ägypten leidet unter Armut, Analphabetismus und unter einer hohen Arbeitslosigkeit, wozu auch der deutliche Einbruch des Tourismus beigetragen hat. Die zahlreichen und großzügig angelegten Ferienanlagen am Golf von Suez, die wir auf dem Weg zum St. Pauluskloster sehen, stehen weithin leer. Trotzdem wird eifrig weitergebaut, in der Hoffnung, demnächst Touristen aus China und aus Russland zu gewinnen.
Das St. Paulus-Kloster am Roten Meer gilt als das älteste christliche Kloster überhaupt und geht zurück auf Paulus von Theben, der als erster Wüsteneremit im 4. Jahrhundert hier 90 Jahre lang gelebt hat und im Pauluskloster auch begraben ist. Hier feiern wir – die ökumenische Pilgergruppe aus Westfalen – zusammen mit Bischof Anba Damian einen koptischen Gottesdienst in einer der vier alten Kirchen des Klosters.

Vom Abt des Klosters, Bischof Anba Daniel, werden wir zu einem einfachen Mittagessen in ein Pilgerhaus auf dem Klostergelände eingeladen. Zur Zeit ist Fastenzeit. Daher ist es eine große Ausnahme, dass wir als Pilgergruppe im Kloster nicht nur begrüßt, sondern auch bewirtet werden. Bischof Daniel beherbergt in diesem Pilgerzentrum vor allem ältere Menschen und Menschen mit wenig Einkommen, um ihnen eine Möglichkeit zu bieten, Erholung und seelische Stärkung zu finden.

„Unsere Klöster sind die Lunge der koptischen Kirche“, betont Bischof Damian. Sie sind geistliche Zentren, die nicht nur von Pilgergruppen regelmäßig aufgesucht werden, sondern in den letzten Jahren einen enormen Zulauf verzeichnet haben. In den vier Klöstern im Wadi Natrun gibt es mehr als 100 Mönche in jedem Kloster. In der Regel müssen die Mönche, bevor sie überhaupt ins Kloster eintreten können, einen Beruf erlernt oder ein Studium abgeschlossen haben.

Im benachbarten St. Antoniuskloster, dem ältesten dauerhaft bewohnten christlichen Kloster, zeigt uns Bischof Youstos, der als Abt dem Antoniuskloster vorsteht, eine große Solaranlage außerhalb des Klosters. Damit können sie zwei Drittel des Energiebedarfes im Kloster decken. Eine Wasserquelle innerhalb der Klosteranlage trägt dazu bei, dass die Mönche ihren täglichen Bedarf an Trinkwasser zur Verfügung haben und nur wenig Wasser zusätzlich mit Hilfe von Tankwagen für die Bewässerung der klostereigenen Landwirtschaft heranholen müssen.

Ohne Sicherheitsbegleitung ist eine solche Pilgerreise zur Koptisch-Orthodoxen Kirche in Ägypten zur Zeit noch nicht möglich. Auf dem Weg zurück nach Kairo werden wir von zwei Sicherheitsfahrzeugen begleitet. Ein seltsames Gefühl.
Im koptischen Viertel von Kairo (Alt-Kairo) empfangen uns die Schwestern des St. Georgs-Klosters mit Obst und Gebäck. Jede Woche versorgen sie Menschen, die unter Armut leiden, mit Kleidung, Essen und medizinischer Hilfe. Ihr Kloster untersteht direkt der Aufsicht des koptischen Patriarchen, Papst Tawadros II., der seinen Sitz gegenüber der St. Markus-Kathedrale in Kairo hat.

Ein besonderer Moment ist die Audienz bei Papst Tawadros. Das Gruppenbild für die Pressestelle des Patriarchats arrangiert der Papst selber. Unserer Gruppe gegenüber betont er das ökumenische Miteinander der Christen heute. Dass während unseres Aufenthalts koptische Christen, darunter auch ein Priester und Kinder, auf der Sinaihalbinsel von IS-Terroristen ermordet worden sind, erwähnt er nicht.
Wie bedroht koptische Christen in Ägypten sind, sehen wir in der St. Georg-Kirche, die sich direkt neben der St. Markus-Kathedrale befindet. Die heftigen Auswirkungen des Anschlags vom 11. Dezember 2016 sind noch zu sehen. Neue Holztüren wurden inzwischen eingesetzt, auch das Dach, das durch die Druckwelle nach oben weggeflogen war, ist erneuert worden. Damals starben 29 Menschen durch die Tat dieses Selbstmordattentäters. Wir erfahren, dass er sich einen Tag zuvor erkundigt hatte, wann in der St. Georgs-Kirche Gottesdienst gefeiert wird mit dem Hinweis darauf, dass er am Christentum interessiert sei.

Gemeinsam beten wir für die Opfer und ihre Angehörigen und für die große Zahl der verletzten Menschen. Doch die sich derzeit vollziehende Flucht koptischer Christen aus dem Sinai zeigt, dass die Lage für die Christen in Ägypten sehr besorgniserregend ist und sie immer wieder bedroht werden.

 

– Der Autor Christian Hohmann ist Regionalpfarrer des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe).