Oda Schottmüller, Liane Berkowitz – die Namen werden aufgerufen wie beim Zahnarzt. Die gemeinten Frauen stehen an einem trüben Morgen im August 1943 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee für ihre Hinrichtung mit der Guillotine an. Eine bricht zusammen, die meisten wirken erstarrt und erschöpft. So auch Hilde Coppi (Liv Lisa Fries). Gerade hat sie einem mitfühlenden Pastor einen letzten Brief diktiert, an ihre Mutter und ihren Sohn: „In Liebe, eure Hilde“. So heißt der Film von Andreas Dresen, der erste deutsche Beitrag im Wettbewerb der Berlinale. Das Filmfestival findet noch bis zum 25. Februar in Berlin statt.
Hilde Coppi, geborene Rake, und ihr Mann Hans wurden 1942 wegen Vaterlandsverrats, Spionage und Feindbegünstigung verhaftet. Sie waren Mitglieder der NS-Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“, verstanden sich als Kommunisten, hatten „Radio Moskau“ abgehört und Angehörige deutscher Kriegsgefangener informiert, dass ihre Männer am Leben waren. Im Gefängnis brachte Hilde Coppi ein Kind zur Welt, unter elenden Umständen, im Bewusstsein, dass sie es nicht würde behalten können.
Regisseur Andreas Dresen, ein Stammgast des Festivals, scheint auf das Zeitgeschehen zu reagieren und ist „politischer“ geworden – zuletzt lief im Berlinale-Wettbewerb sein Film „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ über die rechtswidrige Inhaftierung von Murat Kurnaz im US-Gefangenenlager Guantánamo. Nun haben der Regisseur und seine Autorin Laila Stieler sich eines Widerstandskapitels angenommen, das im Vergleich mit dem Stauffenberg-Attentat oder der Geschichte der „Weißen Rose“ eher unpopulär ist: In den siebziger Jahren gab es zwar je ein aufwändiges BRD- und DDR-Projekt zur „Roten Kapelle“, erst im vergangenen Jahr hat eine Fernseh-Dokufiction das Thema aber wieder aufgegriffen.
Im Lichte der aktuellen politischen Verhältnisse fokussiert der Film nicht zu sehr auf das Verhältnis zu Moskau und der Sowjet-Union. Vielmehr stellt er die allgemeinere Frage, wie man sich unter unmenschlichen Umständen seine Menschlichkeit bewahren kann. Heroismus ist nicht die Antwort, eher schon die Liebe zum Leben.
Die Rahmenhandlung, die von der Tortur der Schwangeren im Frauengefängnis erzählt, löst sich immer wieder in Rückblenden auf, die Hippie-Vibes verströmen: die Coppis beim Campen, Feiern, Sex, selbst das Morse-Training und die Herstellung von Aufklärungsmaterial haben etwas Abenteuerliches. Hilde Coppis Geschichte hätte leicht ins Formelhafte abdriften können, zumal die oft mattfarbenen Bilder von Anfang an ins Historische weisen. Aber Andreas Dresen hat seine Spielart des „humanistischen Realismus“ zur Perfektion getrieben; je weiter der Film fortschreitet, je heftiger die Knastgewalt – ja, es ist nötig, die Geburt zu zeigen – und die sommerlich-entspannten Szenen sich aneinander reiben, desto einleuchtender wirkt die Konstruktion: Die Nazis führten auch einen Kampf gegen die Freiheit des Körpers – besonders den der Frau.
Dass es nicht genug Filme über das deutsche Menschheitsverbrechen und gegen faschistische Tendenzen geben kann, weiß auch Julia von Heinz, die zweite prominente Deutsche im Berlinale-Line-up. Nach dem Antifa-Film „Und morgen die ganze Welt“ wendet sie sich in der außer Konkurrenz laufenden Produktion „Treasure“ dem Gedenken an die Schoah zu. Erzählt wird (nach einer Vorlage der Schriftstellerin Lily Brett) von einer New Yorker Musikjournalistin, die mit ihrem Vater, einem Auschwitz-Überlebenden, Anfang der Neunziger auf Spurensuche nach Polen reist.