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Kirchenvertreter: Kirchenasyl ist “ziviler Menschenrechtsgehorsam”

Staat und Kirchen streiten schon länger um das Kirchenasyl. Ein kirchlicher Experte plädiert nun für eine andere Praxis, die Flüchtlinge vor Gefahren durch eine Abschiebung bewahren soll.

Kirchen vergeben das Kirchenasyl nicht leichtfertig (Symbolbild)
Kirchen vergeben das Kirchenasyl nicht leichtfertig (Symbolbild)Imago / Funke Foto Services

Die Kirchen sollten aus Sicht eines ihrer Migrationsexperten die Praxis des Kirchenasyls als “zivilen Menschenrechtsgehorsam” verstehen. Es gehe dabei “nicht um Ungehorsam im Sinne einer Rechtsverletzung, sondern um Treue zu verfassungsmäßig garantierten Grund- und Menschenrechten”, schreibt der Interkulturelle Beauftragte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Andreas Lipsch, in einem Gastbeitrag in der Berliner taz. Lipsch ist zugleich Leiter der Abteilung Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration der Diakonie Hessen.

In seinem Text weist er den Vorwurf zurück, das Kirchenasyl gefährde den Rechtsstaat: “Die eigentliche Bedrohung liegt in einer Politik, die Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien offen infrage stellt.” Rechtsstaat bedeute keine schlagkräftige staatliche Gewalt und schärfere Gesetze, sondern gerade die Kontrolle der Exekutive. “Sein erster und wichtigster Auftrag ist die Gewährleistung der Grund- und Menschenrechte.”

Kirchenasyl: Härtefall-Regelung kaum anerkannt

Lipsch kritisierte zudem, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) seinen Umgang mit Kirchenasyl-Fällen zuletzt dahingehend geändert habe, dass keine Härtefälle mehr anerkannt würden.

Im Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften vorübergehend Asylbewerber auf, um eine Abschiebung abzuwenden. Der besondere Schutz wird aus kirchlicher Sicht in der Regel gewährt, wenn dem Geflüchteten bei einer Abschiebung Gefahr droht und weiterhin gute Bleibeperspektiven vorhanden sind.

Beim Kirchenasyl entscheidet der Einzelfall

Grundlage ist eine Vereinbarung zwischen dem Bamf und den Kirchen: Demnach muss eine Kirchengemeinde die Gründe darlegen, warum sie im Einzelfall Kirchenasyl gewährt. Das Amt überprüft den Fall daraufhin noch einmal. Mehrere Bundesländer hatten zuletzt kritisiert, dass die Kirchen die Kirchenasyl-Praxis stark ausgeweitet hätten. Bundesweit wurden mehrere Kirchenasyle von Behörden geräumt.