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Kirchenrechtler beobachtet Relevanzverlust der Kirchen

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller beobachtet ein Relevanzverlust und schwindenden politischen Einfluss der Kirchen in Deutschland. „Bis in die 1990er Jahre hinein wurden die Kirchen politisch für ihre Botschaft vom Evangelium geachtet. Das ist komplett vorbei“, sagte Schüller dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Politisch hätten Kirchen bis zur Merkel-Zeit als wahlwichtig gegolten, weil sie einen großen Teil der Bevölkerung abgebildet hätten. „Da hat man schon darauf geachtet, die Meinung der Kirche einzubeziehen“, sagte der Professor für kanonisches Recht. Das sehe man beim Kompromiss zu Schwangerschaftsabbrüchen, an dem die Kirchen maßgeblich mitgewirkt hätten. Die jetzige Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) habe aber in die Kommission, die prüfen soll, ob Abtreibungen künftig auch außerhalb des Strafrechts geregelt werden können, nicht einmal mehr Kirchenvertreter eingeladen.

Auch inhaltlich sei ein Relevanzverlust zu beobachten. Die Friedensbewegung Anfang der 1980er Jahre habe während des Nato-Doppelbeschlusses auch inhaltlichen Einfluss auf die sozialliberale Regierung unter Helmut Schmidt gehabt. Die fromme Pastorentochter Angela Merkel habe 2017 bei der Abstimmung über die Ehe für alle den Fraktionszwang aufgehoben und damit die Entscheidung für die gleichgeschlechtliche Ehe möglich gemacht.

Auf der Ebene der Kommunen und der Länder wolle man hingegen mit den Kirchen als verlässlichen Partnern vor allem in der sozialen Daseinsfürsorge nicht brechen. „Das führt zu einer ambivalenten Situation“, erklärte Schüller, der in seinem neuen Buch für die Trennung von Staat und Kirche wirbt.

Perspektivisch werden der evangelischen und katholischen Kirche 2030 laut Schüller nur noch knapp 35 bis 40 Prozent der Deutschen angehören. Da müsse man schon heute überlegen, ob die Kirchen ihren gesellschaftlichen Auftrag auch dann noch so leisten könnten. Außerdem schreibe das Gesetz eine Diversität bei den freien Trägern der Sozialfürsorge vor, damit auch Menschen, die nicht in einem evangelischen oder katholischen Krankenhaus, einer Kindertagesstätte oder einem Altenheim betreut werden oder auch arbeiten möchten, genügend Möglichkeiten erhalten.