Nach der Vorstellung einer bundesweiten Studie hält die Missbrauchsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einen Kulturwandel in ihrer Kirche für nötig. “Ich glaube nicht, dass schon in jedem Winkel unserer Kirche das Bewusstsein dafür angekommen ist, dass Missbrauch ein zentrales Problem ist”, sagte die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst am Freitag bei einer Fachtagung in Hannover. Die Erzählung, dass es sich bei sexualisierter Gewalt um Einzelfälle handele oder alles Geschichte sei, sei widerlegt, so die Sprecherin des Beauftragtenrats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für sexualisierte Gewalt.
Nach Ansicht von Wüst müssen in den Landeskirchen nun einheitliche Standards zum Umgang mit Missbrauch geschaffen werden. Dazu müsse nicht der binnenkirchliche Föderalismus abgeschafft werden. “Aber es darf keine Rolle spielen, ob ein Betroffener aus Bayern oder aus der Nordkirche stammt.”
Die erste bundesweite Missbrauchsstudie für evangelische Kirche und Diakonie war am Donnerstag in Hannover vorgestellt worden. Daran waren Wissenschaftler acht verschiedener Institutionen beteiligt. Ihren Erkenntnissen zufolge ist das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche viel größer als bisher bekannt. Zudem sei immer wieder versucht worden, Betroffene zum schweigen zu bringen und Taten zu vertuschen.
Wüst erklärte: “Veränderungen müssen nun in nötigem Tempo, aber in der gebotenen Verfasstheit geschehen.” Man werde nicht gleich am nächsten Montag mit einem Maßnahmenplan vor die Mikrofone treten. Aber es solle auch nicht bis November dauern, wenn die EKD-Synode zum nächsten Mal tagt.
“Wir wollten diese Studie – und wir nehmen sie jetzt auch an”, so Wüst. Abgesehen von der Verwirrung um die Fallzahlen seien ihr vor allen die qualitativen Erkenntnisse wichtig. Die Studie zeige die Perspektive der Betroffenen auf und halte der Kirche den Spiegel vor.