Während des Wahlkampfes haben die Kirchengemeinden in Niedersachsen selbst eine schwere Wahl zu treffen. Sie mussten entscheiden, wie sie sich an der Meinungsbildung beteiligen wollten und ob sie dabei auch selbst Partei ergreifen würden.
Podiumsdiskussionen vor Wahlen haben in der Kirchengemeinde Aerzen bei Hameln schon Tradition. „Wir wollen dazu beitragen, dass es der Zivilgesellschaft gut geht“, sagt Pastor Christof Vetter. Dazu gehöre, dass die Gemeinde zur Meinungsbildung beitrage. „Das ist im Kirchenvorstand unbestritten.“ Doch die Frage, welche Parteien wie beteiligt werden sollten, habe für lange Diskussionen gesorgt. Sollte ein AfD-Kandidat auf dem Podium sitzen?
Auf AfD-Kandidaten waren in der Kirchengemeinde eingeladen
„Am Ende waren wir uns einig, dass wir alle Kandidierenden im Wahlkreis 46 einladen. Auch den AfD-Kandidaten“, betont Vetter. „Wir sind Demokraten genug, dass wir diesen Kräften mit Argumenten widerstehen können.“
Zudem habe sich Aerzen wie viele andere Kirchengemeinden mit zwei Plakaten an der Kirchen-Kampagne zur Bundestagswahl „Für alle. Mit Herz und Verstand“ beteiligt, erzählt Vetter. „Wir wollen zeigen, dass wir für Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt eintreten.“ In seiner Predigt am Wahlsonntag wolle er deshalb nicht nur zur Beteiligung an der Wahl aufrufen, sondern auch für eine Stimmabgabe werben, die das Miteinander in der Gesellschaft im Blick habe.
Austritte von Mitgliedern, denen die Kirche zu „links“ war
Doch so deutlich die Gemeinde und ihr Pastor Position beziehen, so sehr bemühe er sich, mit allen Gemeindemitgliedern im Gespräch zu bleiben, betont Vetter. „Ich achte sehr darauf, alle Gemeindemitglieder und ihre Sorgen ernst zu nehmen. Auch die mit anderen politischen Überzeugungen.“ Doch es habe schon Austritte von Mitgliedern gegeben, die Kirche für zu „links“ halten. „Das schmerzt mich als Seelsorger“, sagt Vetter.
Auch die Felicianus-Kirchengemeinde in Weyhe bei Bremen hat sich klar positioniert. Sie hat Banner der Kampagne „Mit Herz und Verstand“ am Gemeindehaus aufgehängt, das am Wahl-Sonntag als Wahllokal dient. Die Kirche müsse die Risiken der Zeit erkennen, warnt Pastor Gerald Meier. Bei der Bundestagswahl drohe eine gefährliche Wende. Die AfD sei keine „normale“ Partei. „Wir müssen verhindern, dass den Autoritären Tor und Tür geöffnet wird und dass künftig die Skrupellosen mit Lüge und Hass regieren.“
Pfarrer als Redner auf Demonstrationen gegen Rechts
Meier tritt deshalb als Redner auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus auf. „Ich kann nicht schweigen angesichts der Gefahr“, betont er. Und so beteilige sich die Gemeinde auf Beschluss des Kirchenvorstands ebenfalls an der Aktion „Unser Kreuz hat keine Haken“, die mit Plakaten und Bannern schon länger ein Zeichen gegen Faschismus setzen will.