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Kirchengemeinden bei Flüchtlingsaufnahme in Berlin gefragt

Im Kommentar der Woche ist sich die Landeskirchliche Pfarrerin für Migration und Integration in der EKBO sicher: Die Kirche hilft gerne bei der Unterbringung von Geflüchteten. Aber nicht als Notnagel.

Plakat für Solidarität mit Geflüchteten (Symbolbild)
Plakat für Solidarität mit Geflüchteten (Symbolbild)Imago / BildFunkMV

Kein Platz mehr für Geflüchtete in Berlin – ist versäumt worden zu handeln? Die Task Force des Berliner Senats „Unterbringung und Integration Geflüchteter“ gab bekannt, dass die Plätze in den Unterkünften für Schutzsuchende in Tegel und Tempelhof ausgebaut sowie Hotels und Hostels angemietet werden. Kann auch die Kirche helfen?

Beginn des Ukrainekriegs zeigte die Hilfsbereitschaft der Kirchengemeinden

In Dresden gab es einen Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft (Symbolbild)
In Dresden gab es einen Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft (Symbolbild)epd-Bild/ Rolf Zoellner

Anfang März 2022 war es eiskalt mit hohen Minusgraden in der Nacht. Da schien es selbstverständlich zu sein, dass evangelische Kirchengemeinden in Berlin die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufnahmen, die so plötzlich und zahlreich nach Berlin kamen. Die Stadt wurde wieder Mal zum großen Sammelpunkt der Flucht in Europa. Es waren insgesamt über 66 Gemeinden und Kirchenkreise, die mehr als 1 613 Schlafplätze innerhalb von 3 Tagen anboten. Gebeten wurden wir vom Landesamt für Flüchtlinge, erst in Reinickendorf und dann in der ganzen Stadt um Hilfe bei der Aufnahme von Geflüchteten. In den Gemeinden begann das große Durcheinander, wer nun Feldbetten und Lunchpakete für wie viele Gäste bekommt und wer was selber organisiert. Es war ein bisschen so wie im Krippenspiel, als ob der Wirt zu Maria und Josef auf Nachfrage nach einer Herberge sagt: „Ja, gerne – kommen Sie herein.“ Und dann erst merkt, dass der Satz nicht im Drehbuch steht, denn es ist kein Raum in der Herberge. Aber Not macht erfinderisch. Ich bin mir sicher, dass wieder viele „ja, gerne“ sagen würden, wenn die Not groß ist. Wenn es kalt ist, wenn Sorgen lasten, ja, wenn Abschiebung droht. Viele Kirchengemeinden sagen immer wieder „ja, gerne“, auch wenn ihre eigenen Räume weniger werden.

Alter Krimi mit zu vielen Wiederholungen

Viele Flüchtlinge werden in Sammelunterkünften untergebracht (Symbolbild)
Viele Flüchtlinge werden in Sammelunterkünften untergebracht (Symbolbild)Imago / Michael Schick

Die Unterkünfte für Geflüchtete in Berlin sind voll. Berlin schaltet da auf Krisenmodus. Erwartet werden über 4 000 Geflüchtete in diesem Jahr, die einen Asylantrag stellen. Dazu kommen circa 1 000 Geflüchtete pro Monat aus der Ukraine nach Berlin. Sie werden im ehemaligen Flughafen Tegel untergebracht – einem Provisorium. In Berlin haben von Januar bis August 9 936 Menschen Asyl gesucht. Die Hauptherkunftsländer sind Syrien, Türkei, Afghanistan, Georgien und Moldau. Es soll nur noch eine geringe Anzahl von Betten in Gemeinschaftsunterkünften zur Verfügung stehen. Bereits belegt sind 31 889 Plätze (Stand 15. September). Jeder weiß: Berlin ist und bleibt ein Hotspot für Geflüchtete. Senat, Behörden, Bezirke konnten in den letzten anderthalb Jahren noch mehr Erfahrungen sammeln in dem Feld und alle wissen: Wohnraum ist knapp in Berlin. Da liest sich die Initiative der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, mehr Plätze für geflüchtete Menschen zu schaffen, wie ein alter Krimi mit zu vielen Wiederholungen. Nun ist Verdichtung das Zauberwort. Zusammenrücken sollen die Geflüchteten. Provisorien müssen her. Zelte, noch mehr Betten in einem Zimmer, mehr Geflüchtete auf engem Raum. Provisorien helfen aber nur kurz in der größten Not! Langfristig muss solider geplant werden. Standards eingehalten werden, wie Trennung von Männern und Frauen, Platz zum Spielen für die Kinder, Sozial- und Rechtsberatung.

Kirche arbeitet professionell

Und so sollte eigentlich die Diakonie gefragt werden. Sie ist die richtige Ansprechpartnerin. Kennt die Standards, ist professionell in der Flüchtlingsbetreuung. Und die Gemeinden – werden sie wieder „ja, gerne“ sagen, wenn es super eng wird? Ich denke ja. Wenn die Not am größten ist, werden sie sich nicht verschließen. Helfen könnte auf jeden Fall ein großes ehrliches Dankeschön vom Senat an die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz. Nicht leise und hinter verschlossenen Türen, sondern laut hörbar in der Stadt. Die Ehrenamtsinitiativen haben das längst und ganz deutlich getan.

Aufnahme kostet

Und, ach ja, über Geld muss auch gesprochen werden. Die Aufnahme von Geflüchteten kostet nämlich auch Geld für Kirchengemeinden, für Kirchenkreise und die Landeskirche. Zusagen von Seiten der Stadt müssen eingehalten werden. Die Unterbringung von Geflüchteten bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die der Bund zuständig ist. Die evangelische Kirche hilft gern in der Not, aber wir sind kein provisorischer Notnagel.

Dagmar Apel ist Landeskirchliche Pfarrerin für Migration und Integration in der EKBO