„Sagen Sie mal, da fehlt doch das Kind!“ Eine Frau mit einer knallgrünen Mütze auf dem Kopf blickt Christiane Strunk und Martin Hevicke etwas empört an. Sie ist nicht die Erste, die diese Beobachtung an diesem Nachmittag macht. Die Krippe ist leer im Advent auf dem Weihnachtsmarkt in Kiel auf dem Asmus-Bremer-Platz. Denn es ist ja noch nicht Weihnachten.
Zum 21. Mal steht die Kirchenhütte auf dem Weihnachtsmarkt. „Wir haben damals ein ganz niedrigschwelliges Angebot gesucht, um als Kirche zu den Menschen zu kommen“, erinnert sich Martin Hevicke. „Wir wollten raus in die Welt.“ Er selbst hat auch vor einigen Jahren einen kleinen Turm für das Dach der Hütte gebaut, in dem ein gelber Stern leuchtet. „Unser Kirchturm“, erklärt er lächelnd. So soll sich die Kirchenhütte von den anderen Buden abheben.
Pröpstin Almut Witt: „Selbstverständlich, dass wir als Kirche dabei sind“
Hevicke und Strunk sind katholisch, wie auch die Hütte zunächst ein Angebot der Katholischen Pfarrei Franz von Assisi war. Vor sechs Jahren ist der Kirchenkreis Altholstein dazugestoßen. „Weihnachten ist ein christliches Fest. Da ist es selbstverständlich, dass wir als Kirche dabei sind“, sagt Kiels Pröpstin Almut Witt, die regelmäßig auf dem Markt eine Schicht besetzt.
Maria, Josef, drei Schafe, ein Ochse und eine Krippe, die mit einem Schaffell ausgelegt ist, wurden liebevoll im Stroh drapiert. Durch eine Glasscheibe sind sie gut zu erkennen. Die Hütte ist zudem halbseitig geöffnet. Wer möchte, kann aus nächster Nähe die Figuren bestaunen. Lichter beleuchten sie zu den Öffnungszeiten des Marktes, auch wenn niemand aus dem ökumenischen Team vor Ort ist.
Krippenfiguren mehr als 120 Jahre alt
„Meine Mutter ist mit diesen Krippenfiguren groß geworden“, erzählt Martin Hevicke. Er schätzt, dass sie mehr als 120 Jahre alt sind. Nicht nur ein abgebrochenes Horn am Kopf des Ochsen zeugt von ihrer Geschichte, in der die fast meterhohen Schnitzereien unter anderem im Keller der St.-Nikolaus-Kirche lagerten.
Drei Jugendliche schlendern nun an der Hütte vorbei, sie grinsen verstohlen, „wollen mal schauen“. Schmalzkuchen halten sie in der einen Hand, Glühweintassen in der anderen. Das heiße Getränk wird gegenüber der Hütte aus einer 12,5 Meter hohen Weihnachtspyramide verkauft. „Unsere Kirche gehört mitten in unsere Gesellschaft hinein. Und gerade zwischen Verkaufsständen ist es wichtig, an den eigentlichen Anlass der Weihnachtszeit zu erinnern“, sagt Pröpstin Witt. Zudem biete die Kirchenhütte so manchen eine willkommene Gelegenheit, einen Moment Pause zu machen zwischen Einkäufen und Glühwein.
Christiane Strunk: „Unser Ziel ist es hier, Weihnachten zu erklären“
Ein Mann läuft vorüber, zückt sein Smartphone, fotografiert durch die Scheibe die Krippe, geht weiter. „Manche Leute nehmen uns auch nur aus dem Augenwinkel wahr“, meint Christiane Strunk. „Ich denke immer, dass die Krippe etwas mit ihnen macht.“ Denn die Krippe, sie steht für Jesu Geburt, für Weihnachten. „Unser Ziel ist es hier, Weihnachten zu erklären.“
Wer es genau wissen will, findet Antworten. Die Kleinen in Bilderbüchern oder auf einer Klapppostkarte. Die Großen können die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium auch auf einem Flyer mitnehmen. Zugleich ist hier oft die Rede von Maria und Josef oder den Hirten auf dem Felde, sagt Almut Witt. „Am meisten freut es mich, wenn die Kinder ihren Eltern erklären, welche Bedeutung die Figuren der Krippe denn haben, und ihnen die Weihnachtsgeschichte erzählen.“
Wer möchte, kann ein Teelicht entzünden
In einer Schale, die mit Sand gefüllt ist, brennt ein Teelicht. Wer möchte, kann hier weitere entzünden. Auf dem Plan des Betreibers heißt die Kirchenhütte „Raum der Stille“, erzählt Hevicke. Ein bisschen stimmt das auch. Er habe hier gerade gestern lange mit einem Mann gesprochen, der um seine verstorbene Frau trauert. Christiane Strunk hat bereits ihre Thermoskanne eingepackt und sich verabschiedet. Da nähert sich wieder ein kleines Mädchen. „Wo ist denn das Jesuskind?“, fragt es.
Immer samstags um 15 Uhr gibt es besondere Angebote in der Kirchenhütte. Am 16. Dezember spielt ein Posaunenchor, am 23. Dezember wird eine Märchenstunde angeboten.