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Keine Ablösung

Viele Jahrhunderte lang hat das Christentum dem Judentum gegenüber eine Theologie der Enterbung betrieben: Der jüdische Glaube, so wurde es vielfältig propagiert, sei überholt; die Religion der Gesetzlichkeit von der Religion der Gnade abgelöst worden. Geflissentlich übersehen wurde dabei, dass die Bibel eine völlig andere Sprache spricht (siehe Seite 2 und 3).

Die ständige Wiederholung dieser Thesen, im Großen wie im Kleinen, führte zu Verachtung und Hass, die sich immer wieder in Gewaltexzessen Bahn brachen.
Erst nach dem Grauen des Holocaust rangen sich die Kirchen mühsam zu einer anderen Haltung durch. Aber alte Denkmuster sind zäh: Bis heute sitzt das alte Verständnis vom Christentum als dem „besseren“ Judentum noch in vielen Köpfen. Ein Gedenktag wie der Israelsonntag ist daher nach wie vor notwendig. Nicht nur, um das Gedenken an den Holocaust wach zu halten, sondern vor allem, um die Kirchen selbst daran zu erinnern: Ihr seid Geschwister und Miterben der Verheißung – und keineswegs die Ablösung.