KASSEL – Konservative Evangelikale haben die evangelikalen Dachverbände zur Klärung strittiger Positionen aufgerufen – etwa zum Thema Pluralität in Lehrfragen oder Umgang mit Homosexualität. „Wir fordern die zuständigen Gremien des Gnadauer Verbandes und der Deutschen Evangelischen Allianz auf, zu Irritationen klärend Stellung zu beziehen und bitten um gemeinsame Gespräche“, heißt es in einem am vergangenen Wochenende in Kassel einstimmig verabschiedeten Kommuniqué. Die von dem früheren ProChrist-Redner Ulrich Parzany zusammengerufenen 65 Vertreter von konservativen evangelikalen Organisationen und Gemeinden haben jedoch kein Konkurrenzbündnis gegründet, wie zuvor angedeutet.
Die Unterzeichner wenden sich unter anderem gegen eine Öffnung hin zu einer Pluralität in Lehrfragen. „Wir widersprechen Ansichten, es seien gegensätzliche Verständnisse und Lesarten der Bibel zu akzeptieren“, heißt es in dem Kommuniqué. Außerdem sei es „dem Anliegen einer geistlichen Erneuerung der Kirche nicht zuträglich, wenn Missstände offen kritisiert werden“.
Auch widersprechen die Unterzeichner der Meinung, „biblisch orientierte Gemeinden hätten ein Toleranzproblem und müssten sich für Pluralität in Lehrfragen öffnen. Sie müssten auch solche Mitchristen akzeptieren, die in Sünde leben“.
Die Unterzeichner betonen hingegen die „göttliche Inspiration der Heiligen Schrift, ihre völlige Zuverlässigkeit und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung“. Außerdem schreiben sie: „Wir widersprechen der falschen Lehre, es gäbe auch andere Wege zum Heil.“ Und konkret: „Wir widersprechen der falschen Lehre, gleichgeschlechtliche Beziehungen entsprächen dem Willen Gottes und dürften von den Kirchen gesegnet werden.“
Auslöser des von Parzany initiierten Treffens waren zwei Interviews des Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz und Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Michael Diener, die dieser vor einigen Wochen der Zeitung „Die Welt“ und dem christlichen Medienmagazin „Pro“ gegeben hatte. Diener, der jüngst auch in den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt wurde, hatte in den Interviews unter anderem Selbstkritik an der evangelikalen Bewegung formuliert, sich für mehr Toleranz gegenüber anderen Lesarten der Bibel und auch gegenüber Homosexuellen ausgesprochen. Diese könnten auch Mitglied einer evangelikalen Gemeinde sein.
Parzany hatte Diener daraufhin in einem offenen Brief vorgeworfen, Positionen der Evangelischen Allianz zu relativieren. Über eine Gründung eines „Netzwerkes Bibel und Bekenntnis“, das Parzany ursprünglich mit dem Treffen beabsichtigte, enthält das Dokument nichts. Es ist lediglich von einer „Fortsetzungsgruppe“ unter Leitung von Ulrich Parzany die Rede, die das Anliegen weiter verfolgen soll. Ihr gehören unter anderen die Professoren Rolf Hille und Daniel von Wachter an, die Pfarrer Tobias Eißler und Ulrich Rüß sowie Rektor Rolf Sons. epd
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Kein neues evangelikales Bündnis
Konservative Evangelikale verabschieden Kommuniqué mit Lehrverurteilungen. Dachverbände sollen Streitfragen klären