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Karriereschranke Teilzeit

In Westfalen beginnen die Diskussionen über den „Gleichstellungsatlas“ der EKD. Er zeige, dass viel erreicht, aber auch noch viel zu tun sei, sagt Sylvia Bachmann-Breves

Pathfinder - Fotolia

BIELEFELD – Die Daten liegen vor. Jetzt gilt es, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen: Nach Ansicht von  Sylvia Bachmann-Breves, Gleichstellungsbeauftragte der Evangelischen Kirche von Westfalen, bietet der am Jahresanfang erschienene „Gleichstellungsatlas“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) jede Menge Material für Diskussionen – auf allen kirchlichen Ebenen. Und die haben in Westfalen nun begonnen.
Die Zusammenstellung der Daten sei eine große Leistung, betont Bachmann-Breves. Mit dem Atlas lägen jetzt „zum ersten Mal nach Geschlechtern differenzierte Daten zum kirchlichen Leben“ vor. Und weiter: „Erst wenn man den Ist-Zustand kennt, kann man eventuellen Förderbedarf feststellen.“

„Intensives Bemühen“ um die Frauen

25 Jahre nach der EKD-Synode von Bad Krozingen, die dem Thema „Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche“ gewidmet war und die das Ende der Männerkirche einleiten sollte, zeigt der Atlas, dass schon viele, aber noch nicht alle damals formulierten Ziele erreicht sind (siehe auch UK 48/2014, Seite 11,  und 13/2015, Seite 15).
Dass etwa der  Frauenanteil in westfälischen Presbyterien mit 48 Prozent inzwischen weit über dem damals formulierten Zehn-Jahres-Ziel von 40 Prozent liegt, wertet Sylvia Bachmann-Breves als äußerst erfreuliches Zeichen. Dieses Ergebnis rührt ihrer Ansicht nach daher, dass es ein intensives Bemühen um die Frauen gegeben habe. Auch die Tatsache, dass Westfalen bereits 1988 als erste Landeskirche im Bereich der EKD ein Frauenreferat eingerichtet und dort Fragen von Gleichstellung und Gleichberechtigung verankert hat, habe zu dem Ergebnis beigetragen. Allerdings sei mit den nackten Zahlen noch keine Aussage darüber möglich, in welchen Funktionen die Presbyterinnen tätig seien. Da müsse nochmal nachgeforscht werden – zum Beispiel über die Zahl der Finanzkirchmeisterinnen etwa.
Nachgeforscht werden muss auch an anderer Stelle: Aus den Erhebungen des Atlasses geht nicht hervor, warum der Frauenanteil in den übergeordneten kirchlichen Gremien geringer ist als in den Presbyterien. So sitzen in den westfälischen Kreissynoden 37 Prozent Frauen, in der Landessynode sind es 40 Prozent. Liegt es daran, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen? Oder fehlt vielen Frauen einfach der Mut, sich in ein höheres kirchliches Leitungsamt hineinwählen zu lassen? Für Sylvia Bachmann-Breves  lässt sich diese Frage bislang nicht mit Sicherheit beantworten. Was man ihrer Meinung nach aber sagen kann, ist, dass es Zeit braucht, um den Frauenanteil in den Gremien quasi „von unten nach oben“ aufzubauen.
Ein wichtiges Arbeitsfeld, um Gleichstellung Wirklichkeit werden zu lassen, liegt laut Bachmann-Breves im Bereich der hauptamtlich Mitarbeitenden der kirchlichen Verwaltung. Zwar habe die Landeskirche mit inzwischen sieben kreiskirchlichen Verwaltungsleiterinnen eine „erfreuliche Tendenz“ ausgemacht, aber es gebe Nachholbedarf. Vor allem „in den Köpfen müsse sich da was ändern“ – sowohl  bei den Männern als auch bei den Frauen. Das heißt, dass sich mehr Männer von dem „Lebensmodell Voll­erwerb“ verabschieden und einen größeren Anteil an der Familienarbeit übernehmen müssten, damit mehr qualifizierte Frauen die Karriereschranke Teilzeitüberwinden könnten. Sowohl die gesetzlichen Rahmenbedingen als auch die spezifisch kirchlichen Rahmenbedingungen (etwa für den Wiedereinstieg nach der Familienphase) seien ja in der Kirche nicht die schlechtesten,  räumt Bachmann-Breves ein.
„Mit zunehmender Vergütungsgruppe steigt der Männeranteil“, heißt es im Gleichstellungsatlas. Diese Tatsache hängt nach Ansicht von Sylvia Bachmann-Breves mit verschiedenen Faktoren zusammen: zum Beispiel mit der Berufswahl. So seien viele Frauen auch in der Kirche in den Berufen tätig, die verhältnismäßig schlecht bezahlt würden und keine großen Aufstiegschancen böten, etwa Erzieherinnen. Das sei zwar ein gesamtgesellschaftliches Problem, entbinde die Kirche aber nicht von der Pflicht, Frauen besser zu fördern und ihnen berufliche Wege aufzuzeigen, die eine höhere Bezahlung und größere Aufstiegsmöglichkeiten bieten.

„Ein langer Atem lohnt sich“

Dennoch, wenn Sylvia Bachmann-Breves nach Durchsicht des Gleichstellungsatlasses für Westfalen eine (Zwischen-)Bilanz ziehen soll, sagt sie: „Es hat sich schon viel getan.“ Und: „Ein langer Atem lohnt sich.“ Das Thema Gleichstellung habe sich in mehr als 25 Jahren seinen Stellenwert erarbeitet. Nun sei es wichtig, am Ball zu bleiben: in der Personalpolitik, in der Gestaltung der beruflichen Rahmenbedingungen und nicht zuletzt darin, Frauen weiterhin zu ermutigen und zu ermuntern, nach vorne zu gehen, sich mit ihrer Qualifikation nicht hinter den Männern zu verstecken und neue Wege zu wagen. hei