Das Motto des Kirchentags sei eine Aufforderung, das Friedenstiften in den Vordergrund zu stellen, sagt Margot Käßmann. Beim Kirchentag wird sie auf dem Roten Sofa erwartet. Willi Wild hat vorher schon mit ihr gesprochen.
Wie übersetzen Sie für sich das Motto „Mutig, stark, beherzt“? Und wäre nicht „Selig sind, die Frieden stiften“ passender?
Die Losung des Kirchentages finde ich gut gewählt. Ich habe jetzt mehrfach dazu gepredigt und es ist spürbar: Die Ermutigung, die Paulus vor fast 2000 Jahren an die Gemeinde in Korinth geschrieben hat, passt auch heute. Wir sollten wachsam sein, uns nicht wegducken angesichts der Krisen dieser Welt, stark sein und Haltung zeigen als Christinnen und Christen. Klar, gerade in der Friedensfrage gilt es, mutig und beherzt zu sein. Den Pazifistinnen und Pazifisten weht ja der Wind mächtig ins Gesicht. Für mich ist dieser Satz aus der Bergpredigt auf jeden Fall eine Wegweisung, allem Gegenwind zum Trotz das Friedenstiften in den Vordergrund zu stellen.
Die politische Lage hat sich im Gegensatz zu 2023 grundlegend geändert. Betrifft das auch Ihre friedensethische Position?
Meine friedensethische Position hat sich eher gefestigt. Es ist doch ein Wahnsinn, wie Milliarden und Abermilliarden in Hochrüstung investiert werden. So wird kein Friede. Und so schaffen wir auch keine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und Enkel. Sie brauchen eher eine Investition in Bildung, Entwicklung und Maßnahmen mit Blick auf die Klimakatastrophe. Dietrich Bonhoeffer hatte absolut Recht, als er sagte: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden …“ Jetzt wäre doch die Zeit für Diplomatie, Abrüstung, Verträge und vertrauensbildende Maßnahmen. Geld in Rüstung zu investieren, ist keine beherzte Kreativität, sondern ein Verharren in uralten Mustern von Gewalt und Gegengewalt, von Zerstörung, die Jahrzehnte braucht, um wieder geheilt zu werden – ganz real aber auch in den Seelen und Köpfen.
Worauf freuen Sie sich beim Kirchentag besonders?
Auf die Stimmung. Es wird einfach guttun, miteinander Bibeltexte zu bearbeiten, zu singen, zu beten, zu diskutieren. Gemeinschaft bringt Ermutigung mit sich. Beim letzten Kirchentag in Hannover 2005 war ich ja gastgebende Landesbischöfin. Die Erfahrung war, dass unsere ganze Stadt in eine fröhliche, begeisterte Atmosphäre eintauchte. Das hat noch lange angehalten. Und genau solche Stimmung ist eben nicht weltfremd, naiv und lächerlich. Es wird uns allen guttun angesichts der Entwicklungen in unserem Land und unserer Welt gegen all das Gepöbel, den Hass, die Ausgrenzung etwas zu spüren von Zusammenhalt, Hoffnung, Haltung. Der christliche Glaube existiert nicht in einer Nische, er hat eine Stimme in der Welt, die ruft zu Nächstenliebe. Das finden manche merkwürdig. Aber es kann bewegen und überzeugen.