Die bayerische Landeskirche hat ihren Willen zur Zusammenarbeit mit den staatlichen Ermittlungsbehörden bei Fällen sexualisierter Gewalt nochmals bekräftigt. Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg hatte die Landeskirche nach Veröffentlichung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie dazu aufgefordert, ihr eine Liste mit „Daten zu allen Verdachtsfällen seit 1975“ zukommen zu lassen, wie das Justizministerium am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitgeteilt hatte. „Wir werden auch dieser Bitte entsprechen“, sagte ein Kirchensprecher auf epd-Anfrage am Mittwoch.
Die staatlichen Ermittlungsbehörden wollten eine solche Liste mit den bekannten Missbrauchsfällen, um sie mit ihren Akten abzugleichen. Bereits seit Mai 2019 gibt es eine Vereinbarung zwischen der Landeskirche und der Generalstaatsanwaltschaft, wonach die Akten zu allen Fällen, die von der Anerkennungskommission der Kirche behandelt wurden, den Staatsanwaltschaften zur Kenntnis gegeben werden müssen. Die Vereinbarung schließt auch Fälle mit ein, die im Rahmen von Studien erstmals bekannt werden. Für die Jahre 2008 bis 2023 umfasst diese Liste laut Landeskirche 36 Fälle, sieben davon seit dem Jahr 2020, sagte ein Sprecher.
Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hatte die Landeskirche am Freitag zur umfassenden Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche aufgefordert. Die Verfasser der ForuM-Studie hätten bei deren Präsentation in der vergangenen Woche klargemacht, „dass eine umfassende Auswertung der Personalakten statt nur der Disziplinarakten weitere Verdachtsfälle zutage fördern kann“, sagte Eisenreich: „Ich fordere die Landeskirche daher auf, dies in die Wege zu leiten. Es ist bereits wertvolle Zeit vergangen.“ Das Ministerium betonte aber auch, die Landeskirche habe sich bislang an alle Vereinbarungen gehalten.
Der Sprecher der Landeskirche wies am Mittwoch darauf hin, dass die Kirche laut geltendem Dienstrecht ein Disziplinarverfahren eröffnen müsse, sobald „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für den Verdacht einer Amtspflichtverletzung vorliegen. Parallel dazu werde der Vorgang der Staatsanwaltschaft angezeigt. Es gebe somit keinen „irgendwie gearteten Ermessensspielraum“, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde oder nicht. Er betonte zudem, dass die kirchliche Definition von sexualisierter Gewalt „sehr viel weiter geht“ als das Strafrecht. Fälle, die in die ForuM-Studie eingegangen sind, beruhten auf der kirchlichen Definition.
Das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte unabhängige Forscherteam sprach von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern bundesweit. Die Forscher betonten, dass dies nur „die Spitze der Spitze des Eisbergs“ sei, weil vor allem Disziplinar-, kaum aber Personalakten eingesehen wurden. Der Sprecher der bayerischen Landeskirche sagte, dass die Stelle für Anerkennungsleistungen auch die Personalakten der Täter und potenziellen Täter habe durchsehen lassen: „Bei keinem dieser Vorgänge fanden sich jedoch in den Personalakten Hinweise bezüglich sexualisierter Gewalt.“ (00/0449/027.04.2023)