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Jurist: Klarheit über Staatsleistungen wäre im Sinne der Kirchen

Dieses Mammutprojekt sorgt seit über 100 Jahren für Streit: die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Nun soll dafür noch in dieser Legislaturperiode eine Grundlage kommen. Ein Jurist sieht keine “einfache Idee”.

Die Akzeptanz der Staatsleistungen an die Kirchen lässt aus Sicht eines Juristen tendenziell nach. In der öffentlichen Debatte handle es sich nicht um ein “‘Gewinnerthema'”, sagte Ansgar Hense dem Portal kirche-und-leben.de am Mittwoch. In den kommenden Jahren könnten sich zudem politische Mehrheiten weiter verschieben. “Grundsätzlich dienen gesetzliche Regelungen der Klarheit und Rechtssicherheit. Das ist auch im Sinne der Kirchen.”

Die Kirchen erhalten jährlich insgesamt rund 600 Millionen Euro von den Bundesländern – außer Hamburg und Bremen – als Entschädigung für rechtswidrige Enteignungen und Verstaatlichung von Kirchenbesitz zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zuletzt hatte die Bundesregierung für den Herbst ein Gesetz zur Beendigung der Staatsleistungen angekündigt, notfalls ohne Zustimmung der Länderkammer. Mehrere Bundesländer wandten sich dagegen; viele Landesregierungen lehnen eine Ablösung der Staatsleistungen ab, vor allem weil die Länder den Kirchen dann Ablösesummen in Milliardenhöhe zahlen müssten.

Ob eine Regelung ohne die Länder überhaupt möglich sei, sei auch unter Verfassungsrechtlern strittig, sagte Hense. “Die weitaus überwiegende Auffassung der Kollegen geht davon aus, dass ein Bundes-Ablösegrundgesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Mit wenigen anderen bin ich anderer Auffassung.” Und weiter: “Praktisch-politisch könnte eine einheitliche Länderfront im Bundesrat schon bei einem sogenannten Einspruchsgesetz das Gesetzgebungsverfahren verzögern, vielleicht sogar zu Fall bringen”.

Prinzipiell brauche es zunächst ein Grundsatzgesetz, in dem Eckpunkte zur Ablösung festgelegt würden. Dies könne einen Gestaltungsspielraum lassen, etwa in der Frage, ob die Länder eher Einmal- oder Ratenzahlungen bevorzugten. “Über diese Modalitäten hätten im zweiten Schritt die Länder zu entscheiden beziehungsweise mit den Bistümern und Landeskirchen auf ihrem Gebiet zu verhandeln”, erklärte der Leiter des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands in Bonn.

Angesichts der vielfältigen Interessen und juristischen sowie finanziellen Hürden sehe er “nicht die einfache Idee, mit der sich der Knoten durchschlagen ließe”, so Hense: “Gäbe es sie, wäre sie sicherlich schon realisiert worden.”