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Journalistin: Menschen in Russland sind ohne jede Hoffnung

Die russische Journalistin Katerina Gordeeva wird mit dem diesjährigen Geschwister-Scholl-Preis für ihr Buch “Nimm meinen Schmerz. Geschichten aus dem Krieg” ausgezeichnet. Darin redet sie mit Ukrainern und Russen.

Nach Einschätzung der russischen Journalistin Katerina Gordeeva sind die meisten Menschen in Russland müde und verzweifelt. Sie seien “ohne jede Hoffnung, selbst in einem christlichen Sinn”, sagte Gordeeva der “Süddeutschen Zeitung” (Donnerstag). “Sie würden alles tun für jemanden, der ihnen Ruhe und Stabilität verspricht.”

Die 47-jährige Journalistin erhält am 26. November in München den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis, der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern und der Stadt München verliehen wird. Ziel ist es, jährlich ein Buch jüngeren Datums auszuzeichnen, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben.

Gewürdigt wird Gordeevas Buch “Nimm meinen Schmerz. Geschichten aus dem Krieg”. Darin porträtiert sie 24 Überlebende des russischen Angriffskriegs, vor allem aus der Ukraine, aber auch Mütter russischer Soldaten und eine Witwe. Ihre Interviews führte sie in verschiedenen Städten Europas, aber auch in Moskau und in russischen Flüchtlingslagern. Gordeeva zählt zu den bekanntesten Journalistinnen Russlands, dem Kreml gilt sie als “ausländische Agentin”. Nach der Annexion der Krim 2014 ging sie ins Exil und lebt heute in Lettland.

Dennoch hält sich Gordeeva regelmäßig zum Arbeiten für ein paar Tage im Monat in Russland auf, wie sie der Zeitung bestätigte. “Jede Einreise ist ein intensives Gefühl. Ich gestehe mir die Angst nicht ein, atme an der Grenze vier-, fünfmal ein und aus, dann bin ich drin, fange an zu arbeiten und werde absorbiert.” Auf die Fragen, warum sie dieses Risiko eingehe, sagte die Journalistin: “Wie soll ich sonst über Russland schreiben?” Sie wolle Zeugnis ablegen und Zeugnisse schaffen. Außerdem versuche sie, mit ihrer Arbeit ein Gleichgewicht zu schaffen, zwischen dem inneren Russland und dem äußeren, dem Exil.

“Ich habe so viele Fragen an mein Land”, bekannte Gordeeva. So wolle sie vor allem eine Antwort darauf finden, wie die Russen ihren Willen als Nation verloren hätten. Das sei eine unglaubliche Entwicklung und niemand wisse, ob diese reversibel sei. Wladimir Putin habe bereits eine kranke Nation übernommen.

“Der Krieg in Afghanistan, 70 Jahre Sowjetunion. Die Nation war geschwächt. Und er hat sie zerstört”, so die Journalistin. Die Menschen wehrten sich nicht mehr, sie träfen überhaupt keine Entscheidungen mehr. Sie warteten einfach ab, bis es irgendwann vorbeigehe. Mit Blick auf den Krieg sagte Gordeeva: “Alle werden verlieren. Die Ukraine hat gewonnen, weil sie Russland so lange widerstanden hat. Für uns als Menschen ist es eine totale Niederlage.”