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Journalist kritisiert den Umgang mit Luther

WEIMAR – Scharfe Kritik an der Art, wie in Deutschland die Debatte über Luthers Antijudaismus geführt wird, übt der in den USA lebende Journalist und promovierte Theologe Uwe Siemon-Netto. „Statt nun am Vorabend des 500-jährigen Reformationsjubiläums das unersetzlich Wertvolle an Luthers Lehre zu betonen, suhlen sich Publizisten und Theologen fast nur im überdimensional Verwerflichen, wobei sie Luther oft geschichtsklitternd als den Wegbereiter Hitlers verleumden“, schreibt Siemon-Netto in der mitteldeutschen Kirchenzeitung „Glaube + Heimat“. Wenn der Holocaust in Luthers Lehre wurzelte, „wieso wurde er dann nicht im einheitlich lutherischen Skandinavien verbrochen, sondern im katholisch-lutherisch-calvinistisch geprägten Deutschland?“, fragt der Autor. Der gebürtige Leipziger, der viele Jahrzehnte für renommierte Magazine schrieb, verweist zudem auf deutsche Regimegegner wie Dietrich Bonhoeffer oder den Theologen Hermann Sasse, die sich in ihrem Widerstand gerade auf Luther berufen hätten.
Luther sei ein überdimensionaler, aber auch fehlbarer Mensch mit lichten und dunklen Seiten gewesen. Die evangelische Kirche in Deutschland solle deshalb lieber „die grandiosen Wahrheiten“ betonen, „die wir in unserem, aus dem Leim geratenen Zeitalter dringend brauchen“. Luthers bleibendes Verdienst sei seine Wegweisung auf den gnädigen Gott und auf eine Lebenshaltung, die der einzige Ausweg sei „aus der weltumspannenden Ichsucht, an der unsere Zivilisation zu zerbrechen droht“. Und im Blick auf das düstere Vermächtnis des Reformators „sollten wir einfach sein letztes geschriebenes Wort zitieren: ‚Wir sind Bettler, das ist wahr‘“.