Auch das Heilige Land hat einen Weihnachtsmann, der Kinder beschenkt und von Jerusalem aus eine Botschaft von Frieden, Liebe und Hoffnung bringt – gerade in schwierigen Zeiten.
Ein Weihnachtsmann mit rotem Gewand und weißem Rauschebart in Jerusalem, und das in Kriegszeiten: Was auf den ersten Blick skurril wirkt und als säkulare Konkurrenz zur christlichen Tradition von Krippe und Jesu Geburt, hat sich im Heiligen Land dank der Tradition des heiligen Nikolaus durchaus etabliert. “Ho Ho Holy Land” steht in bunten Lettern über dem girlandengeschmückten “Santa’s House” in der Jerusalemer Altstadt, Mauer an Mauer mit dem römisch-katholischen Lateinischen Patriarchat.
In den Abendstunden bilden sich hier Schlangen, wenn Jerusalems “Santa” Hof hält und Eltern ihren Kindern eine Freude und farbenfrohe Überraschung bereiten wollen. Er thront in einem Sessel, hat für alle Kinder ein freundliches Wort und lässt sich mit ihnen fotografieren. Es gibt kleine Geschenke, oft einen Weihnachtsmann aus Schokolade, “Santa” verteilt viele hundert Kilo Schokolade. Und dezent steht am Ausgang ein Kasten mit der Bitte um eine Spende, der Eintritt ist frei, für Fotos wird eine Gebühr erwartet.
Jerusalems “Santa” war ein gefeierter Basketball-Profi, sein Cousin ist Botschafter Palästinas beim Vatikan, beide sind Christen und ihre Familie soll seit 900 Jahren im Heiligen Land leben. In diesen Tagen schlüpft Issa Anis Kassissieh in die Rolle des Weihnachtsmanns. Einen Monat lang ist er tagsüber in Schulklassen und Gemeinden, in Krankenhäusern und Pflegeheimen unterwegs, besucht behinderte Kinder. Und abends begrüßt und beschenkt er in seinem Haus nicht nur christliche, sondern auch muslimische und jüdische Kinder. Zwischendurch hört man auch osteuropäische Sprachen.
“Ich möchte den Kindern eine Freude machen, gerade denen, die in schwierigen Situationen leben”, betont Kassissieh ganz im Geist des heiligen Nikolaus. Issa versteht sich auf Werbung und Vermarktung. Früher ritt er auch einmal auf einem Kamel im roten Weihnachtsmann-Kostüm durch das Stadttor in Jerusalem ein. Ob das in diesem Jahr noch möglich sein wird, werde gerade noch geprüft, meint er vielsagend. Andernfalls will er zu Fuß durch die Straßen Jerusalems gehen.
Zwar kommen mit dem zweiten Kriegswinter in Gaza und den Spannungen heute weniger Menschen zu Santas Haus. Die Situation sei anders, nicht leicht, sagt Issa. Aber seine Botschaft ist und bleibt auch in der zweiten Kriegs-Vorweihnacht die gleiche. “Aus Jerusalem, dem Herzen der Welt, sende ich die Botschaft von Hoffnung, Liebe und Friede, dass es Frieden in aller Welt gibt”, mahnt er bei jedem Auftritt. Auf einer vergilbten Urkunde gibt es die Botschaft auch schriftlich. Er sei der erste diplomierte Weihnachtsmann nicht nur im Heiligen Land, sondern im ganzen Nahen Osten, erklärt Issa (arabisch für “Jesus”) stolz.
Als er sich nach Abschluss seiner Sportler-Karriere neu orientieren musste – er ist auch heute noch Coach von Basketball-Mannschaften – erkannte er 2016 die Marktlücke. Er ging die neue Aufgabe generalstabsmäßig an, besuchte im US-Staat Michigan eine Schule für Weihnachtsmänner, die er mit dem Diplom abschloss. Er lernte dort, wie man auf Kinder zugeht, wie man Geduld und Souveränität ausstrahlt und Vertrauen schafft.
Im hinteren Teil des Hauses ist ein kleiner Geschäftsraum eingerichtet, wo man vielerlei Weihnachtsdekoration bestaunen und kaufen, Kekse essen und “hot wine” (Glühwein) oder auch heiße Schokolade trinken kann. Issa macht deutlich, dass er den Weihnachtsmann keinesfalls als Konkurrenz oder Alternative zum christlichen Weihnachtsfest und zur Erinnerung an die Geburt Jesu sieht. Neben seinem Thron ist eine klassische Krippe aufgebaut mit der Heiligen Familie im Stall von Bethlehem, mit Hirten und Schafen, mit Ochs und Esel. Das sei die Botschaft von Liebe und Friede in dem Land, in dem Christus geboren worden sei, sagt er. Er stehe fest in der christlichen Tradition. Und zum Abschied weist er auf die Krippe und sagt: “Jesus is the reason for the season” (“Jesus ist der Grund für die Weihnachtssaison”).