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Jerusalem im Ausnahmezustand – Bangen nach dem Angriff auf Iran

Den Angriff Israels auf den Iran haben manche ersehnt, viele erwartet. Mit Bangen wartet Jerusalem auf das, was nun kommt. Der übliche Freitagstrubel weicht einer bleiernen Stille.

Die Straßen leer, die meisten Geschäfte geschlossen, Gebetszeiten abgesagt: Nach dem israelischen Großangriff auf den Iran herrscht Ausnahmezustand in Jerusalem. Bei Anspannung und trotziger Gelassenheit zugleich warten die Bewohner nun darauf, wie es weitergeht. In normalen Wochen ist der Freitag der geschäftigste Wochentag – mit muslimischen Freitagsgebeten und Vorbereitungen für den jüdischen Ruhetag Schabbat. Jetzt herrscht weithin Ruhe statt Trubel.

Auf dem Tempelberg mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee gab es am Freitag, den 13., keine Mittagsgebete. Die Grabeskirche, das wohl wichtigste Gotteshaus der Christenheit, bleibt geschlossen. Bis zum Nachmittag gab es auch keine Anzeichen, dass an der Klagemauer die Gebete zum Schabbat stattfinden würden. Seit den frühen Morgenstunden sperren israelische Polizei und Grenzschutz die Jerusalemer Altstadt rigoros ab. Nur wer innerhalb der Mauern wohnt, wird durch die Tore gelassen.

Israel könne keine Unruhen gebrauchen, wie sie in dem multireligiösen Altstadtgefüge leicht entstehen könnten – “dafür hat keiner Kapazität”, erklärt sich ein palästinensischer Falafelverkäufer die Vollsperrung. Die Gemengelage nach dem Angriff auf den Iran sei brenzlig, sicher fühle sich hier gerade keiner. In der Altstadt und den arabischen Vierteln Ostjerusalems fehlen Schutzräume. Noch schlimmer seien seine Landsleute im besetzten Westjordanland dran. “Wer innerhalb der Westbank unterwegs war, kommt nicht mehr nach Hause”, berichtet der Mann aus Ein Karem am Rande Jerusalems.

Der 60-Jährige geht nicht von einem schnellen Ende der Bedrohungslage aus. Vor allem rechnet er mit einem bösen Ausgang für Israel, das es bald mit einer vereinigten arabischen Front zu tun haben könnte, die das ganze Land umschließe.

In Westjerusalem füllten sich am Morgen Lebensmittelläden mit besorgten Israelis, die ihre Vorräte für ein mögliches längeres Ausharren in Schutzräumen aufstocken. Einzelne Kunden reagierten angesichts der Wartezeiten an Supermarktkassen gereizt. Ansonsten dominierte auch im Westen der Stadt eine schwere Stille, selbst wenn mit fortschreitender Mittagshitze wieder erste Busse durch die Straßen rollten und einige Cafés öffneten. “Was soll ich zu Hause sitzen?”, sagt der Besitzer einer kleinen Patisserie im bürgerlichen Viertel Talbieh. “Dann lieber hier im Laden sein und entspannt Musik hören.”

Auch sein Nachbar, ein Blumenhändler, zeigt sich ungerührt von den Mahnungen des Heimatfrontkommandos, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben und Bewegungen außer Haus auf ein Minimum zu reduzieren. Über den Angriff Israels sei er “richtig glücklich”, sagt er und steckt seine Sträuße.

Auf dem jüdischen Markt, dem Mahane Jehuda, sind ähnliche Meinungen zu hören. Die Einkaufszone gilt als Hochburg des Likud, der rechten Partei des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Seit Beginn des Krieges gegen die Hamas haben sich auch rechtsradikale Aktivisten mit extremistischen Aufklebern einen Platz auf dem Markt erobert. “Ab vier Uhr bis zum Frühstück habe ich vor dem Fernseher gesessen: Wir haben es dem Iran richtig gegeben, kriegt nicht mal mehr Raketen hoch”, sagt ein Gemüsehändler.

Sein Standnachbar stimmt ihm zu. Wirklich zufrieden mit dem israelischen Vorgehen ist er aber nicht: “Es kam spät, wir hätten den Iran schon an Pessach vor einem Jahr angreifen sollen, als sie 250 Raketen auf uns geschossen haben.” Geht es nach ihm, hätte der nächtliche Angriff noch härter ausfallen können. Vor allem will er aber, dass es jetzt “so weiter geht”.