GENF – Es ist eine Katastrophe mit Ansage. Klimaforscher warnen seit fast einem Jahr vor El Niño, einem Klimaphänomen, dem schwere Dürren und Überschwemmungen folgen. „Der El Niño, den wir seit März 2015 sehen, ist einer der stärksten, die wir je gemessen haben“, sagt Rogerio Bonifacio, Klimaanalyst beim Welternährungsprogramm. Besonders betroffen sind der Süden und der Osten Afrikas. Die UN rechnen mit mehr als 45 Millionen Menschen, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein werden. Das Geld dafür fehlt, neben humanitären Krisen drohen politische.
In Äthiopien, dem mit knapp 100 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Ostafrikas, hat es seit März vergangenen Jahres kaum geregnet. „Hier herrscht Alarmstufe Rot, und entsprechend dringend muss eigentlich geholfen werden“, sagt John Graham, Direktor von „Save the Children“ in Äthiopien. „Tatsächlich aber habe ich trotz des Ausmaßes dieser Dürre auch noch nie eine so zurückhaltende Reaktion von den UN und der internationalen Gemeinschaft erlebt.“
Gefahr für mühsam errungene Fortschritte
Bis jetzt habe die äthiopische Regierung den Löwenanteil der Hilfsgelder selbst aufgebracht, sagt Graham. „Doch wenn Geberstaaten nicht sehr schnell Geld bereitstellen, dann wird die Regierung bei Schulen, Krankenhäusern und Gesundheitsprogrammen sparen müssen, um Hilfsgüter zu kaufen.“ Die Folgen, glaubt Graham, wären katastrophal. Mühsam errungene Fortschritte im Land könnten zunichtegemacht werden. Schon jetzt hätten 2,5 Millionen äthiopische Kinder die Schule wegen der Dürre verlassen.
Die Lage ist auch deshalb so dramatisch, weil 2016 am Horn wie auch im südlichen Afrika das zweite Dürrejahr in Folge ist. „Die Ernte des Vorjahres war bereits dürftig, in diesem Jahr sieht die Situation wegen zu wenig Regens während der Saatzeit noch düsterer aus“, warnt Marc Nosbach, Länderdirektor von Care in Mosambik. „Frauen sind dazu gezwungen, Wasser aus Straßenpfützen zu schöpfen, viele Familien lassen Mahlzeiten aus.“
In Malawi, Lesotho und Simbabwe haben die Regierungen bereits den Katastrophenzustand ausgerufen. „Allein in Simbabwe sind bereits 17 000 Nutztiere verhungert und mehr als 12 000 Trinkwasserbrunnen ausgetrocknet“, sagt Rudo Kwaramba, Regionaldirektorin der Hilfsorganisation Worldvision. „Die Nahrungsmittelknappheit hat in vielen Ländern des südlichen Afrika eine kritische Grenze erreicht.“ Um die Not zu lindern, kaufen Regierungen Grundnahrungsmittel wie Mais auf dem Weltmarkt.
Doch während die Weltmarktpreise steigen, sind Afrikas Regierungen ganz überwiegend knapp bei Kasse. Der Verfall der Rohstoffpreise hat Defizite verursacht, die durch andere Einnahmen nicht aufzufangen sind. Besonders dramatisch ist die Lage in Somalia, wo der Staat kaum über Einnahmen verfügt. Seit 25 Jahren wird gekämpft, doch selbst in den friedlicheren Regionen Puntland und Somaliland fehlt es an allem, nachdem 87 Prozent der durchschnittlichen Ernte ausgefallen sind. 4,7 Millionen Somalier brauchen Hilfe, weiß Peter de Clerck, humanitärer Koordinator der UN in Somalia. „Unsere Partner stehen bereit, aber es fehlt das Geld.“