Gemeinhin gilt der Südwesten als fromme, vom Pietismus geprägte Region. Doch die gesellschaftliche Entwicklung geht auch an Baden-Württemberg nicht spurlos vorüber: Für zunehmend mehr Menschen spielt die Kirche in ihrem Alltag keine Rolle mehr. Gerade veröffentlichten die beiden großen evangelischen Landeskirchen ihre Mitgliederzahlen. Demnach zählte die Evangelische Landeskirche in Württemberg zum Stichtag 31. Dezember 2024 genau 1.723.261 Mitglieder; das waren 48.200 weniger als ein Jahr zuvor. In der Evangelischen Landeskirche in Baden waren es Ende vergangenen Jahres 974.347; das war ein Minus von 30.046 im Vergleich zu 2023.
Dieser Trend spiegelt sich auch in den Konfirmandenzahlen wider. Gab es in der württembergischen Landeskirche im Jahr 2000 noch 26.736 Konfirmationen, so waren in den vergangenen beiden Jahren nach Angaben der Kirche noch zwischen 14.000 und 15.000. Ähnlich ist das Bild in Baden, wo die Zahlen allerdings erst ab 2017 vorliegen. Waren es damals noch rund 9.500 Konfirmanden, so belief sich deren Zahl in den vergangenen beiden Jahren laut Landeskirchenamt auf rund 7.000.
„Es ist ganz offensichtlich, dass mit anhaltend rückläufigen Zahlen von Kirchenmitgliedschaft und Kirchenbindung auch die Konfirmation an Bedeutung verliert“, sagte Matthias Koenig, Professor am Max-Weber-Institut für Soziologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Allerdings gehe damit viel mehr verloren als ein schönes Familienfest, sagt er, und verweist auf die Ergebnisse der aktuellsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 6) von Ende 2024.
Darin gaben 70 Prozent der Protestanten an, dass der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation ihre spätere Religiosität nachhaltig geprägt haben. „Grundsätzlich übt die Teilnahme an kirchlichen Angeboten genau wie die familiäre Sozialisation einen maßgeblichen Einfluss auf die spätere Einstellung zu Religion und Kirche aus“, schreiben die Autoren der Studie. Dabei hat das Elternhaus eine große Vorbildfunktion. So gaben 89 Prozent der Protestanten an, sie hätten sich konfirmieren lassen, „weil das in meiner Familie schon immer so war“. Das damit verbundene „Familienfest“ war nur für 70 Prozent ausschlaggebend, „Geld und Geschenke“ für 57 Prozent. Matthias Koenig sieht in den rückläufigen Zahlen deshalb einen regelrechten Traditionsabbruch.
Auch für Ekkehard Stier, Beauftragter für Konfirmandenarbeit innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Baden, ist die Konfirmation kein „Selbstläufer“ mehr: „Die relativen Konfi-Zahlen gehen zurück, auch wenn Konfirmation immer noch eine Marke ist.“ Umso wichtiger sei es, die Konfi-Arbeit über das übliche Anschreiben hinaus auf verschiedenen Wegen zu bewerben. Wo das geschehe, seien die Anmeldezahlen auch höher, so seine Erfahrung. Nadja Golitschek, stellvertretende Sprecherin der württembergischen Landeskirche, beobachtet einen Wandel in der Konfirmandenarbeit: „In den vergangen dreißig Jahren hat sich die Konfi-Arbeit dahingehend verändert, Jugendliche mit ihren Fragen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt zu stellen.“