Da mag einem das Herz in die Hose rutschen. Seit Jahren hat sich die Welt angewöhnt, beim Thema Nahost von einem Pulverfass zu sprechen. Mit seinem Angriff auf die Atomanlagen Irans hat Israel jetzt nicht nur eine brennende Fackel an den Sprengstoff gelegt, sondern den Flammenwerfer darauf gerichtet. Die Folgen sind unabsehbar. Musste dieser Angriff sein?
Israels Militärschlag trifft einen entscheidenden Punkt: Irans unheilvolles Atomprogramm, das seit Jahrzehnten wie ein Damoklesschwert über der Region hängt und die Angst vor einem nuklearen Flächenbrand schürt. Doch die Opfer des Angriffs – Iran sagt: auch Zivilisten, Kinder – werfen die Frage auf, ob eine solche Attacke, selbst an der gewaltigen Bedrohung gemessen, vertretbar ist.
Israels Regierung riskiert Kettenreaktion
Hinzu kommt der Zeitpunkt des Angriffs: Während der Gazastreifen bereits in Flammen steht und Israels Kriegsführung dort international zunehmend isoliert, riskiert die Regierung Netanjahu eine Kettenreaktion. Israels Armee warnt seit Monaten vor einer Überlastung – nun stemmt das Land gleich zwei Großoffensiven.
Misstrauen gegenüber Israels Premier ist berechtigt. Netanjahu, der wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht, inszeniert sich seit Jahren als „unersetzlicher Schutzschild“. Dass er den Angriff just in einer Phase innerer Proteste befahl, wirft die Frage auf: Dient die Eskalation allein der Sicherheit – oder der Rettung des angeschlagenen Politikers?
Bedrohung durch Iran ist real
Doch trotz allem: Die Bedrohung durch einen atomar bewaffneten Iran ist real. Sein oberster Führer, Ajatollah Chamenei, hat wiederholt das Ende des Staates Israel und die Eliminierung des „zionistischen Regimes“ gefordert. Ein Iran mit Atomwaffen wäre ein globaler Albtraum.
Hier liegt die Tragik: Israels Handeln ist zugleich nachvollziehbar – und problematisch. Ein Präventivschlag gegen die Bedrohung mag aus Sicherheitslogik gerechtfertigt sein – doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerät die Eröffnung einer zweiten militärischen Front zum Tanz auf dem Vulkan. Zumal das damit weiter wachsende Misstrauen gegen Benjamin Netanjahu und seine Regierung Israel international weiter zu isolieren droht. Ohne internationale Unterstützung aber kann Israel diesen Konflikt nicht überstehen.
Internationale Gemeinschaft muss handeln
Wir sind aufgerufen, beide Seiten im Gebet zu halten – die Ängste der Israelis, den Kampf um ihr Überleben; aber auch die Opfer der Gewalt. Die internationale Gemeinschaft muss handeln: mehr diplomatischer Druck auf Iran. Aber auch kein Freifahrtschein für Netanjahu. Auch Netanjahu muss sich an Recht und Moral messen lassen. Wer ein Pulverfass mit Flammenwerfern bekämpft, riskiert, dass am Ende alle verbrennen.