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Iranische Künstlerin: Wie brauchen mehr Liebe und Mitgefühl

Für das Studium verließ sie den Iran, während Ajatollah Khomeini an die Macht kam. Als Shirin Neshat elf Jahre später zurückkehrte, fand sie ein verändertes Land vor – eine Erfahrung, die sie in ihrer Kunst verarbeitet.

Shirin Neshat (66), iranische Künstlerin, wirbt für mehr Offenheit im Umgang miteinander. “Wir sollten alle weniger hassen”, sagte sie im Interview der “Süddeutschen Zeitung” (Wochenende). “Das Gegenteil von Wut ist Liebe und Mitgefühl. Davon brauchen wir mehr in dieser Welt.”

Sie selbst interessiere es “nicht mehr, die Welt in zwei Lager zu teilen. Dazu ist mir das menschliche Leben zu wichtig.” In aktuellen Konflikten werde Frieden nur möglich sein, “wenn man beide Seiten sehen kann”, mahnte Neshat, die in den 90er Jahren mit der Fotoserie “Women of Allah” bekannt wurde.

Sie ernte Kritik von verschiedenen Seiten, mitunter gesteuert “von der iranischen Regierung und ihrer Cyber-Polizei”, sagte die Künstlerin weiter. Auch Morddrohungen kämen vor. “Dabei bin ich nicht mal Aktivistin. Ich mache Kunst, und meine Kunst schreibt dem Betrachter nicht vor, was er zu denken hat. Das ist etwas, das viele Menschen heute offenbar verwirrt. Die wollen diktiert bekommen, was sie zu denken haben. Ich stelle mit meinem Werk eher Fragen oder zeige Widersprüche, als Aussagen zu treffen.”

Wütend mache es sie, dass ihr Menschenrechte verwehrt würden, weil sie nicht in den Iran zurückkehren könne. “Mein Vater ist gestorben, ohne dass ich ihn noch einmal sehen konnte. Ich weiß nicht, wie lange meine Mutter noch lebt. Ich kann nicht zu ihr. Mir kommen die Tränen, wenn ich das sage.” Die Trennung von ihrer Familie habe ihr schon viel ausgemacht, als sie als junge Frau in die USA gegangen sei, sagte Neshat.

Bei ihrer letzten Reise in den Iran sei sie am Flughafen lange aufgehalten worden, und man habe ihr gesagt, dass sie das Land nicht verlassen dürfe. Sie habe “Angst, Pein, Zorn und Wut” gespürt, auch wenn die Situation nur wenige Stunden gedauert habe und sie doch ausreisen durfte. “Aber es war eine Erfahrung, die mich zutiefst erschüttert hat. Es verändert etwas in einem, der Willkür anderer ausgeliefert zu sein.”