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Internet-Hype zu Lachgas – Viele unterschätzen die Gefahren

Bunte Ballons und Gekicher – auf den ersten Blick sieht der Konsum von Lachgas lustig und harmlos aus. Doch stecken erhebliche Gesundheitsgefahren darin. Der Bundesdrogenbeauftragte nennt Ziele, um das Thema anzugehen.

Jugendliche mit verpixelten Gesichtern atmen Gas aus bunten Ballons ein. Sie lachen, torkeln durch die Bahn. Zu sehen in einem viralen Video des YouTubers Marvin. Er warnt vor den Gesundheitsschäden durch Lachgas – oder auch N2O, so der wissenschaftliche Name. Marvin spricht von einem Trend, den er schon häufig beobachtet habe, nicht nur bei YouTube und Tiktok, sondern auch bei Drehs auf der Straße.

Fachleute in Deutschland und der EU raten zur Vorsicht. “Insbesondere die Entwicklungen in benachbarten Ländern wie den Niederlanden und Großbritannien sind für uns Anlass, einen möglichen Anstieg des Lachgaskonsums in Deutschland sehr genau zu beobachten”, sagte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Konkrete Zahlen zum Konsum gibt es für Deutschland bisher nicht. Doch es sei notwendig, mehr zu erfahren, um gezielt gegensteuern zu können, so Blienert. Einen lokalen Anstieg der Lachgas-Einnahme offenbart eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt. Sie zeigte erstmals für 2021 eine Ausweitung des Lachgaskonsums bei Schülerinnen und Schülern in Frankfurt am Main. “Aktuell gehen wir davon aus, dass die Problematik regional unterschiedlich ausgeprägt ist”, so Blienert.

Geplant sei nun, dass das Frühwarnsystem NEWS einen sogenannten Trendspotter zu Lachgas erstellt. “Dafür werden unter anderem Expertinnen und Experten aus verschiedenen Regionen interviewt und zu ihrer Wahrnehmung des Konsums befragt”, erklärte Blienert. Zum Thema Aufklärung über Lachgas unter Jugendlichen liefen bereits Gespräche unter anderem mit dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Institut für Therapieforschung und einigenden Bundesländern.

Schon seit 2010 verzeichnen einige europäische Länder einen höheren Konsum von Lachgas, wie das Europäische Beobachtungszentrum für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) mitteilte. Besorgniserregend sei der Anstieg ab 2017 geworden, als sich sowohl der Verkauf als auch die Einnahme gesteigert hätten.

Nach Experteneinschätzung atmen die meisten Konsumenten nur wenig von dem Gas ein – und auch nur gelegentlich: vermutlich ein bis drei Ballons wenige Male pro Jahr. Ab wann das Nervengift gefährlich wird, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Kürzliche Befragungen ergaben laut EMCDDA einen höheren Konsum beispielsweise in Frankreich, Dänemark und den Niederlanden. Auch aus England und Wales gebe es entsprechende Daten.

Der Freizeitkonsum von Lachgas ist laut Studie in Frankfurt weiterhin auf einem leicht ansteigenden Niveau. Trendscouts aus dem Bereich “elektronische Tanzmusik” berichten, dass die Droge gelegentlich bei Afterhour-Partys konsumiert werde. Zudem berichtet ein Trendscout aus dem Bereich Jugend-Stadtteil-Szene, dass es ebenfalls unter den Jugendlichen zu gelegentlichem Konsum komme. Die mit dem Gas gefüllten Sahnekapseln und das dazugehörige Gerät, mit dem das Gas in Luftballons geleitet wird, könnten problemlos über das Internet bestellt werden.

Lachgas ist als Narkosemittel bekannt. Das Einatmen des Gases bewirkt einen Rausch – und ist gefährlich. “Bei Kindern und Jugendlichen ist das Gehirn noch nicht abschließend vernetzt, das ist erst ab 25 Jahren der Fall”, erklärte der Bundesvorstand der Bundesärztekammer, Jakob Maske. Die Vernetzungspunkte bieten Angriffsfläche für das Gift. Ähnlich wie beim Konsum von Cannabis kann es so zu Hirnentwicklungsstörungen oder Psychosen kommen.

Außerdem entsteht Vitamin-B-12-Mangel, der schwere Nervenstörungen in den Beinen bis ins Rückenmark verursachen kann. Schlimmstenfalls kommt es zu Krampfanfällen, Querschnittslähmungen oder Ersticken – durch Tüten, die Jugendliche über ihren Kopf ziehen.