Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zählt zu den wichtigsten Streitern für das humanitäre Völkerrecht in Kriegssituationen – auch und gerade im Nahostkonflikt. Gegen Kritik aus Israel wehrt sich das Komitee.
Wenn Kriege und Konflikte den direkten Austausch zwischen verfeindeten Parteien verhindern, schlägt die Stunde des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Die 1863 gegründete Organisation mit Hauptsitz in Genf versteht sich als neutraler Vermittler im Sinne des humanitären Völkerrechts. In seiner über 150-jährigen Geschichte war das IKRK oft der einzige Akteur, der in mörderischen Auseinandersetzungen wie den Weltkriegen zumindest Grundzüge der Menschlichkeit aufrechterhalten und das Leid von Zivilbevölkerung oder Kriegsgefangenen lindern konnte. Dafür erhielt das Komitee drei Mal den Friedensnobelpreis.
Auch im Krieg zwischen Israel und der Hamas ab 7. Oktober 2023 spielte das IKRK von Anfang an eine wichtige Rolle. Bei mehreren Geiselübergaben aus den Händen der islamistischen Terrormiliz sorgten seine Teams für einen möglichst reibungslosen Ablauf, eine prompte medizinische Versorgung und den raschen Transfer der Betroffenen zu ihren Angehörigen. Allerdings kann das IKRK auch in diesem Konflikt immer nur tätig werden, wenn beide Kriegsparteien sich darauf geeinigt haben und zustimmen.
Nach dem jüngsten Abkommen zwischen Israel und der Hamas steht am Sonntag die nächste Geiselübergabe an, die das IKRK begleitet. Insgesamt sollen zunächst 33 Menschen aus dem Gazastreifen zurück nach Israel gebracht werden, darunter zwei Kinder und zehn Frauen. “Es ist ein sehr komplexer, es ist ein sehr gefährlicher Prozess”, sagte Christof Johnen, Leiter der internationalen Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz, in einem WDR-Interview. Solche Übergaben seien “enorme Stresssituationen für alle Beteiligten”, bei denen man immer damit rechnen müsse, dass etwas passiert.
Allerdings wurde das Komitee vonseiten Israels immer wieder kritisiert. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf den Helfern unter anderem Parteilichkeit zugunsten der Hamas und mangelnden Einsatz für die Freilassung und Betreuung der Verschleppten vor. Umgekehrt kritisiert das IKRK, dass Israel der Organisation die Besuche bei palästinensischen Inhaftierten untersage.
Auf seiner Webseite sieht sich das IKRK offenbar gezwungen, sein Agieren in der Geiselfrage ausführlicher zu erläutern. Die Organisation stellt klar: Die Teilnahme an politischen Verhandlungen zählt nicht zu ihren Aufgaben. Gleichwohl habe das Komitee von der Hamas stets die sofortige und bedingungslose Freilassung der Verschleppten und den Zugang zu ihnen gefordert, heißt es. Jahrzehntelange Erfahrung zeige aber, dass bilateraler Dialog und der Aufbau von Vertrauen eher zum Ziel führten als die Verurteilung einer Seite.