“Holy Fluxus – Aus der Sammlung Francesco Conz”: Eine Fluxus-Ausstellung in der Berliner Sankt-Matthäus-Kirche zeigt, wie fluid alles sein kann.
Am Anfang war der Tisch. Wenn man in die Berliner Sankt-Matthäus-Kirche hinkommt, steht man vor ihm. Relativ schmal ist er und reicht wie eine Tafel fast bis zum Altarraum. Auf ihm befinden sich allerlei Objekte: leere Weinflaschen, Schuhe, Kruzifixe, Kochbücher und ein Hostienglas. Jesus und seine Jünger scheinen hier ein Abendmahl abgehalten zu haben. Nun sind sie weg, als hätten sie sich – ohne sauber zu machen – aus dem Staub gemacht.
Das Predigtpult ist ein Herd. Über ein Klavier spannen sich Flügel. Vor den Kirchenfenstern hängen farbige Verkleidungen wie in einer Fluxus-Kathedrale. Hoch oben auf der Empore sind Tücher gespannt worden mit konkreter Poesie. Was das alles soll?
In der Berliner Sankt-Matthäus-Kirche sind ab Samstag Werke der Fluxus-Kunstbewegung zu sehen. Der Titel der Ausstellung lautet: “Holy Fluxus – Aus der Sammlung Francesco Conz”.
Fluxus ist eine internationale Kunstbewegung, die Anfang der 1960er Jahre in New York und im Rheinland entstand und schnell ein internationales Netzwerk entwickelte. Sie versucht, Kunst und Alltag miteinander zu verbinden und die Betrachtenden zum kreativen Handeln anzuregen.
Bei den Objekten, die in der evangelischen Kirche gezeigt werden, handelt es sich also nicht um vergessene Gebrauchsgegenstände von Jesus und Co, sondern um insgesamt 250 Werke oder Objekte von internationalen Fluxus-Künstlern wie Dorothy Iannone, Allan Kaprow, George Maciunas, Hermann Nitsch, Yoko Ono, Carolee Schneemann und Daniel Spoerri. Sie stammen vom in Berlin beheimateten Archivio Conz, einer bedeutenden Fluxus-Sammlung. Francesco Conz (1935-2010) hatte als Sammler einen Sinn für die Alltagsgegenstände der Künstler. Er betrachtete sie als “Fetische” und schrieb ihnen eine magische Wirkung zu, so wie manche Gläubigen es mit Reliquien, sterblichen Überresten von Heiligen, tun.
Dass der ganze Kirchenraum nun quasi wie von den Fluxus-Künstlern und ihren Werken “besetzt” wirkt, ist durchaus beabsichtigt, wie der Direktor der Stiftung Sankt Matthäus, Hannes Langbein, am Freitag in Berlin mitteilte. Aus seiner Sicht berühren sich Fluxus und Theologie, weil bei beiden Bewegung und Dynamik wichtig seien.
“Die Fluxus-Künstler hatten einen ziemlich kritischen auch humorvollen, spöttischen Umgang mit Religion”, so Langbein weiter. Er sei gespannt, was für “Resonanzen” durch die Ausstellung geschehen würden. “Was macht das mit dem Raum und den Gottesdiensten?”