“Über kurz oder lang brauchte der Eckige Tisch eine feste Adresse”, betont Matthias Katsch, Sprecher der Lobby-Organisation für Missbrauchsbetroffene in der katholischen Kirche. 13 Jahre nach ihrer Gründung ist es nun soweit.
In Berlin-Schöneberg hat der gemeinnützige Verein, der nach eigener Aussage “die Interessen der Betroffenen bündelt und sich öffentlich für Aufarbeitung und Entschädigung einsetzt”, Büroräume für sein bundesweites Engagement gefunden. “Und das zu einem akzeptablen Mietpreis”, freut sich Katsch (60), auf politischer Bühne wie in Talk-Shows das “Gesicht” des Eckigen Tisches.
Vom neuen Standort in der Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße 5 aus will sich die Organisation nicht nur verstärkt im politischen Berlin Gehör verschaffen, sondern auch ihre Hilfsangebote für Betroffene ausbauen.
Vertuschung und Täter-Schutz
“Es bleibt eine Daueraufgabe”, betont Katsch, der langjährige Erfahrungen als Unternehmensberater vorweisen kann. Am Berliner Canisius-Kolleg wurde er selbst wie auch weitere Schüler des Jesuitengymnasiums von zwei Lehrern missbraucht. Er gehörte zu denen, die dies im Jahr 2010 öffentlich machten und damit in Deutschland den Anstoß für eine bis heute anhaltende Debatte über sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche gaben.
Wie seine Mitstreiter ist Katsch aber nach wie vor damit unzufrieden, wie die Bistümer und Ordensgemeinschaften bislang Missbrauch aufarbeiten und Betroffene entschädigen. Das geschehe zu zögerlich und unentschlossen angesichts “einer systematischen Vertuschung der Verbrechen und eines organisierten Schutzes der Täter”, wie Katsch kritisiert.
Zugleich haben sich im Laufe der Jahre immer mehr Betroffene an ihn und andere Mitglieder des Eckigen Tisches gewandt. “Zunächst geht es oft darum, an wen sie sich in der Kirche wenden können, um ihren Fall bekannt zu machen”, erklärt Katsch. “Dann sind es konkretere Fragen etwa dazu, wie kirchliche Zahlungen zur sogenannten Anerkennung des Leids zu beantragen sind.”
Ausbau durch öffentliche Förderung
Den Begriff spricht Katsch mit erkennbarem Missmut aus: Zu den zentralen Forderungen des Eckigen Tisches gehört die Einführung eines Entschädigungssystems, das für die Betroffenen deutlich höhere Summen als bisher vorsieht und diese nach klaren Maßstäben vergibt. Er selbst hatte als Mitglied einer – von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzten – Arbeitsgruppe vergeblich Zahlungen von bis zu 400.000 Euro vorgeschlagen.
Ebenfalls vergeblich hatte sich der Eckige Tisch lange um öffentliche Fördermittel bemüht. An die tausend Betroffene konnten die Mitglieder in dieser Zeit deshalb nur ehrenamtlich beraten. 2022 bewilligte der Haushalts-Ausschuss schließlich für das laufende Jahr 400.000 Euro für die Arbeit des Vereins.
Erst diese Mittel machten es nun möglich, die Geschäftsstelle zu eröffnen. Zudem sind sie dafür bestimmt, die Online-Beratung für Missbrauchs-Betroffene unter vertraulich@eckiger-tisch.de weiter auszubauen. “Damit können wir unsere Arbeit weiter professionalisieren”, verspricht Katsch. Unklar ist allerdings weiterhin, ob diese Finanzierung dauerhaft ist.
Ein unbequemer Mahner
Die staatliche Förderung stößt auch auf Kritik, weil andere Initiativen, die sich für Betroffene von sexualisierter Gewalt in den Kirchen engagieren, eine solche Unterstützung nicht erhalten. Katsch hält dagegen, dass sich der Eckige Tisch als einzige Initiative Betroffene bundesweit berät, während dies bei anderen in der Regel auf Bistumsebene der Fall ist.
Mit seiner Geschäftsstelle sieht sich der Eckige Tisch besser in Lage, Missbrauchsbetroffene an kompetente Berater in ihrer Nähe oder an regionale Selbsthilfegruppen zu vermitteln. Auch auf Anfragen von Schulen und anderen Institutionen, die sich über die Missbrauchsproblematik informieren wollen, möchte der Eckige Tisch nun öfter eingehen.
Ebenso können im neuen Berliner Büro vertrauliche Dokumente sicherer als bisher verwahrt werden. “Wir arbeiten nun nicht mehr aus dem Koffer”, bringt Katsch es auf den Punkt. Für die Kirchen wird der Eckige Tisch auch in seinem Berliner Domizil ein unbequemer Mahner bleiben, wie er versichert. “Das wollen wir schon durch den Namen unserer Organisation zum Ausdruck bringen.”