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Influencerin, Getriebene, Schönheit: Vor 125 Jahren starb Sisi, Kaiserin von Österreich

Politisch war die österreichische Kaiserin Elisabeth so gut wie unbedeutend. Ihren Zeitgenossen ging sie aus dem Weg. Trotzdem ist sie bis heute prägend – als Schönheit und Frau, die ihren Weg geht.

Vor 125 Jahren starb Kaiserin Elisabeth von Österreich Sisi - Kaiserin, Influencerin, Getriebene
Vor 125 Jahren starb Kaiserin Elisabeth von Österreich Sisi - Kaiserin, Influencerin, GetriebeneImago / Manfred Siebinger

“SIIISSSIIII” – nur wenige Silben, und das Bild steht klar vor Augen: lange Haare, ausladende Kleider, strahlendes Lächeln. Regisseur Ernst Marischka hat 1955 der österreichischen Kaiserin Elisabeth ein filmisches Denkmal gesetzt, das ihr Bild generationenübergreifend prägt. Mit mädchenhafter Naivität kommt die bayerische Herzogin an den gestrengen Hof der Habsburger in Wien, leidet unter der Schwiegermutter, vermisst die Natur und liebt ihren “Frrranz”. Der in der Heile-Welt-Sehnsucht der Nachkriegszeit entstandene Film erscheint heute wenig zeitgemäß und schreibt die die Kurzform der Kaiserin irrigerweise mit “ss”, dennoch bleibt er ein Klassiker im deutschen Fernsehen.

Als junge Frau galt sie als eine der schönsten Frauen Europas

Denkmäler, Playmobilfiguren und eine Fülle neuer Filme und Serien – Sisi ist aktuell. Mit Neigung zu Beauty, Sport und Reisen gäbe sie heute eine gute Influencerin ab. Ihr öffentliches Bild kontrollierte sie genau: Als junge Frau galt sie als eine der schönsten Frauen Europas und wusste sich in Szene zu setzen. Im Alter ließ sie keine Porträts mehr von sich erstellen. Die Grundlagen für ihren Mythos legte sie selbst; Film und Bühne griffen dankbar darauf zurück.

in Sommertag in Meran, Merano, hier der Blick auf die Statue Sisi ,Elisabeth von Österreich,
in Sommertag in Meran, Merano, hier der Blick auf die Statue Sisi ,Elisabeth von Österreich,Imago / Ulrich Wagner

Doch zu den Fakten: Elisabeth wird an Heiligabend 1837 geboren und wächst am Starnberger See mit vielen Geschwistern auf. 1853 trifft sie bei dessen 23. Geburtstag auf ihren Cousin und Kaiser von Österreich, Franz Josef. Der macht die dann 16-Jährige im April 1854 in Wien zu seiner Frau.

Sisi: Mit 20 Jahren drei Kinder geboren

Mit 20 Jahren hat Elisabeth drei Kinder auf die Welt gebracht – und die älteste Tochter durch Krankheit bereits wieder verloren. In Erziehungsfragen kollidieren ihre Vorstellungen mit denen des Hofes. Elisabeth kann sich nicht dauerhaft gegen den Willen der Schwiegermutter durchsetzen, den Kronprinzen von klein auf militärisch zu erziehen. Umso weniger gelingt es Elisabeth Jahrzehnte später, mit dessen Suizid zurecht zu kommen.

Gesundheitlich angeschlagen nach der dritten Geburt, reist die Kaiserin zur Genesung nach Madeira und Korfu; Wien meidet sie immer mehr. Ihre Aufzeichnungen zeigen, dass sie die strenge Welt des Hofs ablehnt. Sie weilt, oft mit gesundheitlicher Begründung und unter Tarnnamen, in Kurorten und am Meer, widmet sich der Poesie, entwickelt eine Faszination für griechische Schriften. Auf den Spuren von Troja reist sie ins Osmanische Reich.

Der eigenwilligen Herrscherin wurden viele Affären nachgesagt; bewiesen sind keine. Ihr Verhältnis zu Franz Josef soll all die Jahre von Respekt und Zuneigung geprägt gewesen sein. Ihre politisch einzig bedeutende Rolle spielte sie beim schwierigen Ausgleich zwischen Österreich und der ungarischen Reichshälfte 1867. Ihre vierte, 1868 in Budapest geborene Tochter wuchs als einziges Kind nah bei ihr auf.

Getrieben vom Erhalt ihrer Schönheit

Elisabeth war immer wieder von körperlich sowie psychisch schlechter Verfassung. Ob sie an Magersucht litt, lässt sich nicht klar belegen, wohl aber war sie getrieben vom Erhalt ihrer Schönheit. Bei einer Größe von 1,72 Metern wog sie wohl nie mehr als 50 Kilogramm. Im Wiener Sisi-Museum zeugen noch heute Sprossenwand und Ringe von Elisabeths täglichem Turnprogramm. Sie wanderte gern und galt als eine der besten Jagdreiterinnen ihrer Zeit.

Von den Forderungen des Hofes machte sie sich zunehmend frei, erlernte das Fechten, ließ sich tätowieren. An dieser sich selbst verwirklichenden Elisabeth, die ihre persönliche Freiheit in der Enge feststehender (Geschlechter-)Bilder sucht, bedienen sich die aktuellen Elisabeth-Darstellungen.

RTL-Serie “Sisi” beginnt mit einer masturbierenden jungen Herzogin

Der diesjährige Film “Sisi & Ich” entfernt Elisabeth stark von der historischen Realität, “Corsage” von 2022 zeigt eine Frau, die sich ihrer Gegenwart entzieht und vorauseilt. Die RTL-Serie “Sisi” beginnt mit einer masturbierenden jungen Herzogin. Für Historikerin Martina Winkelhofer ist Elisabeth eine der “ersten Ikonen weiblicher Selbstbestimmung”.

Michael Kunze, Autor des Musicals “Elisabeth“, sieht die Kaiserin als Symbol für den Übergang in die Moderne genauso wie für den Untergang ihrer Epoche. “Sie war ihrer Zeit voraus und doch verhaftet in ihr.” Das Musical erzählt seit 1992 Elisabeths Leben. Eine der Hauptfiguren darin: der Tod, der stetig um ihre Liebe buhlt. Am 10. September 1898 gewinnt er Sisi für sich: Die Kaiserin wird vom italienischen Anarchisten Luigi Lucheni am Genfer See mit einer Feile ermordet.